Nordwest-Zeitung

Zwölf Monate nach dem Messerangr­iff

0wei Frauen aus Niedersach­sen am 14. Juli 2017 in Hurghada getötet

- VON DHRISTIAN BRAHMANN UND SIMON KREMER

PEINE/HURGHADA Als „einen barbarisch­en Gewaltakt“bezeichnet Pastorin Marion Schmager den Messerangr­iff im ägyptische­n Badeort Hurghada. Vor knapp einem Jahr sind dort zwei deutsche Touristinn­en getötet worden. Im Trauergott­esdienst stellt die Pastorin die Frage, wie Angehörige bloß damit fertig werden, die Mutter oder die Lebensgefä­hrtin auf so eine schrecklic­he Art und Weise zu verlieren. Das Entsetzen und die Erinnerung an die Opfer sind in den beiden Wohnorten im niedersäch­sischen Kreis Peine auch zwölf Monate danach noch groß. Vor allem herrscht Verärgerun­g darüber, dass die Aufklärung so lange dauert.

Am 14. Juli 2017 hatte ein 28-Jähriger die beiden 56 und 65 Jahre alten deutschen Urlauberin­nen an einem Hotelstran­d mit mehreren Messerstic­hen getötet, bevor er überwältig­t wurde. Vier weitere Ausländer wurden bei der Tat verletzt. Eine 36-jährige Tschechin starb wenig später an den schweren Stichverle­tzungen. Ägyptische Sicherheit­skreise brachten die Attacke

zunächst mit der Terrormili­z IS in Verbindung. Schnell kam Kritik an den langsamen Ermittlung­en auf. „Sie reden nicht von Terrorismu­s, weil das Wort Touristen abschrecke­n könnte“, sagte die tschechisc­he Botschafte­rin in Kairo, Veronika Kuchynova-Smigolova, bereits sechs Wochen nach der Tat. Aus tschechisc­her Sicht handelte es eindeutig um einen Terrorangr­iff.

Taten gestanden

Zwölf Monate nach den Ereignisse­n sind nur wenige Erkenntnis­se an die Öffentlich­keit gelangt. Um an Informatio­nen zu kommen, leitete die Staatsanwa­ltschaft Hildesheim, in deren Zuständigk­eitsbereic­h die beiden deutschen Opfer wohnten, ein Rechtshilf­everfahren ein, um auf diplomatis­chem Weg eine Anfrage an das ägyptische Justizmini­sterium zu stellen.

Im März dieses Jahres erreichte die Behörde dann eine sogenannte Verbalnote aus Ägypten. Demnach lagen dort Anhaltspun­kte dafür vor, dass der Beschuldig­te an einer psychische­n Erkrankung leidet und in ein psychiatri­sches Krankenhau­s verlegt wurde.

Der Mann habe die Taten gestanden. Die Hildesheim­er Ermittler betonten aber, dass es sich bei diesen Angaben nicht um die Antwort auf das Rechtshilf­eersuchen handelt. „Wir brauchen sämtliche Ergebnisse aus Ägypten, um hier vor Ort Entscheidu­ngen treffen zu können“, sagte Sprecherin Christina Pannek im März.

Nach aktuellen Angaben aus ägyptische­n Justizkrei­sen befindet sich der Beschuldig­te unter hohen Sicherheit­smaßnahmen in einem Gefängnis und die Ermittler beschäftig­e vor allem die Frage der psychische­n Gesundheit des Mannes. In Ägypten können Tatverdäch­tige auch längere Zeit ohne Anklage und Gerichtsve­rhandlung festgehalt­en werden.

Wunden aufgerisse­n

Am Stand der Ermittlung­en in Hildesheim habe sich bisher nichts verändert, teilte die Staatsanwa­ltschaft nun mit. Die Ermittler wollen immer noch eine eventuell erhobene Anklagesch­rift und gegebenenf­alls eine Ausfertigu­ng des Urteils für eine eigene Auswertung. Mit einer baldigen Antwort rechnet dabei wohl

niemand.

„Es ist einfach sehr ärgerlich, wenn man das Gefühl hat, dass nach so einer Tat wenig bis gar nichts passiert“, sagt Frank Bertram, Gemeindebü­rgermeiste­r in Edemissen, wo eine der beiden Frauen lebte. Er hat Verständni­s dafür, dass der Unmut über die dürren Informatio­nen groß ist. Auch wenn nach der sehr emotionale­n Phase in der Gemeinde peu à peu der Alltag wiederkehr­e, reiße so ein Jahrestag die Wunden doch noch einmal auf. „Es kommt einem vor, als sei es gestern gewesen“, sagt Bertram.

Ähnlich groß ist das Unverständ­nis nur wenige Kilometer weiter in der Gemeinde Ilsede. „Es ist schon sehr merkwürdig, dass da nichts kommt“, meint Bürgermeis­ter Otto-Heinz Fründt. Im kleinen Ortsteil Münstedt, wo das zweite deutsche Opfer lebte, fällt der Jahrestag der Tat mit dem Schützenfe­st zusammen. Fründt kann sich noch gut erinnern, wie die schrecklic­he Nachricht beim Königsfrüh­stück die Runde machte. Er geht davon aus, dass auch während des Festes an die Opfer gedacht und erinnert wird. „Sowas lässt niemanden unberührt.“

 ?? DPA-BILD: RIZK ?? Blick auf die Hotelanlag­en im ägyptische­n Hurghada, an deren Strand ein Attentäter 2017 mehrere Urlauber mit dem Messer attackiert­e. Bei der Messeratta­cke sind zwei deutsche Frauen getötet worden.
DPA-BILD: RIZK Blick auf die Hotelanlag­en im ägyptische­n Hurghada, an deren Strand ein Attentäter 2017 mehrere Urlauber mit dem Messer attackiert­e. Bei der Messeratta­cke sind zwei deutsche Frauen getötet worden.

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