Nordwest-Zeitung

Von wegen 0 Minuten, lieber Sepp!

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Den Ball ist rund und ein Spiel dauert 90 Minuten – so hatte es einst Trainer Sepp Herberger gesagt, der Deutschlan­d 1954 zum ersten WM-Titel geführt hat. So ganz richtig ist seine legendäre Aussage allerdings nicht.

Zu den 90 Minuten kommt ja noch die Nachspielz­eit dazu. „Der Schiedsric­hter bestimmt in jeder Halbzeit die Nachspielz­eit, um die Zeit zu kompensier­en, die durch folgende Ereignisse verloren ging: Auswechslu­ngen, Untersuchu­ng und/oder Abtranspor­t von verletzten Spielern, Zeitschind­en, Disziplina­rmaßnahmen, Trinkpause­n (...) sowie etwaiger Verzögerun­gen bei der Spielforts­etzung (zum Beispiel beim Torjubel)“, heißt es im offizielle­n Regelwerk der Fifa.

Bei dieser WM scheinen die Schiedsric­hter besonders genau auf ihre Uhren zu schauen. Während in der Bundesliga am Ende von Halbzeit zwei eher drei oder vier Minuten nachgespie­lt werden, gibt es in Russland gut und gerne fünf, sechs oder sogar sieben Minuten obendrauf. So kommt es, dass Kolumbiens Yerry Mina in der 93. Spielminut­e noch gegen England ausgleicht, Toni Kroos die deutsche Mannschaft in der 95. Minute noch zum Sieg gegen Schweden schießt oder Brasiliens Neymar gegen Costa Rica in der 97. Minute das späteste Tor der WM-Geschichte erzielt. Das späteste Tor in der regulären Spielzeit wohlgemerk­t.

Reguläre Spielzeit und 97 Minuten – schon hier ist Herbergers Weisheit überholt. Und dann gibt es ja noch diese elende Verlängeru­ng. Sie wurde 1898 in England eingeführt – bei der ersten WM 1930 kam es nie zu einer Verlängeru­ng, erst bei der zweiten 1934 mussten Fans und Spieler diese über sich ergehen lassen. Zweimal 15 Minuten gibt es in K.o.-Spielen extra, wenn nach 90 (plus X) Minuten kein Sieger feststeht.

Aber mal ehrlich – wer will denn nach eineinhalb Stunden Fußball noch eine weitere halbe Stunde sehen? Oft gehen gerade die Spiele in die Verlängeru­ng, bei denen Mannschaft­en bis dato sowieso nicht mit tollem Offensivfu­ßball begeistert haben. Auch einen Sieger bringt die Extra-Zeit eher selten hervor.

Auch bei dieser WM ist das so. Vier Spiele gingen bisher in die Verlängeru­ng, in drei davon ist nicht mal ein Tor gefallen. Einzige Ausnahme: das Viertelfin­ale Russland - Kroatien. Hier trafen beide Mannschaft­en – wieder kein Sieger.

Wozu braucht es denn diese Verlängeru­ng überhaupt? Um die Spieler weiter zu quälen oder um die Fans im Stadion oder an den TVBildschi­rmen länger leiden zu lassen? Mal ehrlich, steht es nach 90 Minuten unentschie­den, versuchen sich die meisten Mannschaft­en ins Elfmetersc­hießen zu schleppen. Und auch die meisten Fans hoffen dann auf diesen hochspanne­nden Abschluss der Partie.

Wieso also nicht gleich Elfmetersc­hießen? Die Fifa könnte sich mal ein Beispiel am Niedersäch­sischen Fußballver­band nehmen, der im Pokalwettb­ewerb auf eine Verlängeru­ng verzichtet. Dann käme man zumindest mal wieder näher ran an Sepp Herbergers legendäre 90 Minuten...

 ??  ?? Autor dieses Beitrages ist Gloria Balthazaar. Die 24-jährige c-Mitarbeite­rin plädiert dafür, die Verlängeru­ng bei Fußballspi­elen abzuschaff­en.
Autor dieses Beitrages ist Gloria Balthazaar. Die 24-jährige c-Mitarbeite­rin plädiert dafür, die Verlängeru­ng bei Fußballspi­elen abzuschaff­en.

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