100. GEBURTSTAG VON BERGMAN
Preisgekröntes israelisches Polit-Drama „Foxtrot“kommt in die deutschen Kinos
Der eindrucksvolle Streifen ist präzise und hart. Es geht um Leid und Gewalt – und das Soldatendasein an sich.
HAMBURG Der israelische Regisseur Samuel Maoz (56) macht es dem Zuschauer nie leicht. In „Foxtrot“setzt er den Schmerz gleich eingangs groß und unentrinnbar ins Bild. In den ersten Minuten erfährt ein Ehepaar, dass ihr 18-jähriger Sohn Jonathan in der Nacht „im Einsatz gefallen“ist. Dann sieht man, wie dieser Verlust von beiden Elternteilen Besitz ergreift.
Maoz hat in „Lebanon“(2009) bewiesen, wie sehr seine Bilder gleichzeitig Emotionen und einen pointierten Stilwillen transportieren können. Das wiederholt er in „Foxtrot“. Er zeigt, wie der Schmerz die Mutter physisch niederwirft, wie er sprachlos macht, aggressiv und hilflos gegenüber der Außenwelt mit ihrer übergriffigen Anteilnahme. Der Vater tritt den Hund, verbrüht sich vorsätzlich die Hand, will keine weinenden Verwandten um sich haben. Dazu stellt ihn der Film in Bilder von genau abgezirkelter Präzision, meist mittig zentriert; die Inszenierung will die Perspektive auf diesen Mann so weit verengen, bis man dessen Gefühlen keine Distanz mehr entgegensetzen kann.
Gute Witze
Gleichzeitig beobachtet Maoz die Überbringer der Nachricht: die Soldaten, die die Eltern aufgesucht haben. In der Wohnung kümmern sich die jungen Männer sofort um alles, sie reichen Wasser und die Nummer der Telefonseelsorge – sie sind die perfektionierte Bürokratie. Angesichts des Chaos, das ihre Todesbotschaft hervorruft, wirkt das nicht wohltuend.
Die Soldaten agieren so methodisch, dass die Situation ins Groteske kippt. Sie sind irritiert, dass der Vater trotz ihrer Mühe keine höfliche Unterhaltung führen will; der „Offizier für Bestattungen“wirkt in seiner Sorge, das Reglement für die Beerdigung nachhaltig klarzustellen, geradezu beleidigend. Das Militär setzt auf präzise Abläufe, hinter deren Betriebsamkeit die Realität des Todes verschwinden soll.
Das gilt für den ersten Teil des streng strukturierten Films. „Foxtrot“besteht aus drei Teilen. Jeder ist von der Länge her ähnlich, in der Bildästhetik aber radikal unterschiedlich. Teil zwei zeigt das Leben des Toten, den Militärdienst an einem Grenzposten irgendwo in der Wüste. Dort ist Jonathan zusammen mit einigen anderen stationiert. Alle sind einer steten Ereignislosigkeit ausgeliefert.
Der Name ihrer Einheit lautet Foxtrot, und der Höhepunkt einer Nachtwache ist Jonathans Interpretation des Foxtrott-Tanzes. Das Licht in der Wüste ist hellblau und rosa, die jungen Männer schlagen die Zeit tot, manchmal machen sie gute Witze.
Kritik aus Israel
Der Stillstand wird nur dann von einer Aktion abgelöst, wenn ein Auto die Grenze passiert. Auf beiden Seiten des Schlagbaums sieht es gleich unwirtlich aus; wer hier durchkommt, hat wahrscheinlich einen zwingenden Grund. Meist handelt es sich um Palästinenser, die Familienangehörige im anderen Land besuchen möchten. In einem solchen Fall nehmen die Grenzer ihre Aufgabe ernst. Sie kontrollieren mit angelegten Schnellfeuerwaffen, obwohl die Passanten wenig gefährlich wirken. Die fürchten sich eher, und das durchaus zu Recht.
Maoz zeigt eine Reihe solcher Sequenzen am Schlagbaum in der Wüste; er inszeniert jede Demütigung, die die Soldaten standardmäßig bei den Kontrollen vornehmen, mit träumerischer Schönheit. Danach ahnt der Zuschauer, was passiert, wenn man Teenager mit Gewehren ausrüstet und sie mit Macht und Angst alleine lässt.
„Foxtrot“hat bereits eine Menge internationaler Preise gewonnen. In Israel aber kam der Film nicht überall gut an. Es gab harte Kritik von Kultusministerin Miri Regev und Ärger beim Israelischen Filmfestival in Paris, als würde plötzlich entdeckt, dass Samuel Maoz ein politischer Filmemacher ist. Dabei führt der Regisseur in „Foxtrot“lediglich fort, was er mit „Lebanon“begonnen hat. Maoz war Soldat. Das arbeitet er in seinen Filmen auf – die kritische Distanz zum israelischen Militär resultiert daraus.
In „Foxtrot“geht es nicht nur um Leid, Gewalt oder Sinnlosigkeiten, sondern auch darum, welche Wunden das Soldatendasein den Menschen zufügt.