Auf der „Insel“der 1000 Pflanzen
In Deemters Orangerie geht’s um Genuss – Vorreiter eines Trends
Im Essgarten Deemter wachsen rund 1000 essbare Pflanzen. In der Küche entstehen die „Durchgedrehte Fetthenne“oder der „Gewöhnliche Schneeball“.
BARJENBRUCH Als Heike und Frits Deemter mit ihren drei Kindern 1994 aus einem Reihenhaus in Bremen aus- und in ihr frisch erworbenes Zuhause in Barjenbruch einzogen, da war das neue Domizil für sie „wie eine fremde Insel“. Zweieinhalb Hektar Land samt Wohngebäude hatten die beiden Physiotherapeuten gekauft, in einem nur dünn besiedelten Teil der Samtgemeinde Harpstedt. Heute, 24 Jahre später, kommen Ausflügler mit Fahrrädern, in Autos und Bussen zu der „Insel“in Barjen- bruch. Was die Menschen lockt: ein Essgarten, bestehend aus rund 1000 verschiedenen essbaren Pflanzen – die nicht nur zum Bestaunen da sind.
„Jeder Ziergarten ist ein Essgarten. Es mangelt nur an Kenntnis“, sagt Frits Deemter. Von einem Freund aus dem benachbarten Prinzhöfte hatte der gebürtige Holländer und leidenschaftliche Koch kurz nach dem Einzug in Barjenbruch eine Liste bekommen: 16 Pflanzen vom Wegesrand, für die galt: „Einmal
pflanzen – immer ernten“. Die Deemters begannen von einem Garten voller essbarer Pflanzen zu träumen – und sie begannen zu forschen: Da musste es doch noch mehr als 16 Alternativen geben! Die Neu-Barjenbrucher ermittelten schließlich 5000 essbare Pflanzen, darunter 2000, „die sich hier in der Samtgemeinde Harpstedt wohlfühlen würden“. 1000 davon pflanzten sie an, begannen zu züchten und zu veredeln.
Schon wenig später kamen erste Neugierige zum Besichtigen. Nur: Außer Setzlingen war noch nicht viel zu sehen. „Stäbchenführungen“seien das gewesen, flachst Deemter, den Schalk im Nacken.
Mit den Pflanzen wuchs die Zahl der Besucher. Und die wollten wissen, was sich aus dem unbekannten Grün in der Küche machen ließe. Um das zu zeigen und mit den Gästen „fröhlich genießen“zu können, gingen die Eheleute unter die Bauherren. In Gifhorn waren sie auf ein gläsernes Gärtnereigebäude gestoßen, das zum Verkauf stand: 200 Quadratmeter groß, rustikal und urig. Drei große LKW brachten den „Kristallpalast“schließlich in Einzelteilen nach Barjenbruch. „Orangerie“heißt er seither und wurde nach dem Wiederaufbau im Herbst 2016 ergänzt durch einen Anbau mit Küche und Sanitärbereich.
Parallel schrieben die Deemters ein Kochbuch
(Bild). Die Hauptrolle darin ist einer „Pflanzenfamilie“zugedacht, die in deutschsprachigen Kochbüchern noch gar nicht zu finden sei: Zierpflanzen. Am 22. Juni 2017 lag das Ergebnis druckfrisch auf dem Tisch. Es beinhaltet 36 Rezepte – von der „Durchgedrehten Fetthenne“bis zum „Gewöhnlichen Schneeball“.
Dass das Buch von der Fachwelt gefeiert wurde, ging an den Deemters zunächst vorbei. Als sie für Anfang März 2018 zur Verleihung des Deutschen Gartenbuchpreises nach Mittelfranken eingeladen wurden, hielten sie das entsprechende Schreiben nur für eine „freundliche Geste“. „Die wollen, dass wir zum
Klatschen mitkommen“, dachte sich Frits Deemter. Aber von wegen. Die beiden sollten auf die Bühne kommen, als Gewinner in der Sonderkategorie „Bestes Gartenkochbuch“.
Dass sie mit ihrem Essgarten auf so große Resonanz stoßen, hat für Frits Deemter eine eindeutige Ursache: Mit Ingredienzien aus dem eigenen Garten gesund und schmackhaft kochen, dabei auch wenig bekannte Pflanzen zu berücksichtigen, „das ist ein Trend geworden“. Und: „Wir sind der Vorreiter für diesen Trend.“
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