Nordwest-Zeitung

TELEFONAUS­KUNFT SELTENER GEFRAGT

Was in Zeiten von Internet und Smartphone aus der /elefonausk­unft ge0orden ist

- VON MATTHIAS ARNOLD

Die Zahl der Nutzer ist deutlich gesunken. Doch ein Ende der Auskunft ist nicht in Sicht.

BONN „11 Mann hat eine FußJ ballmannsc­haft, 88 ist meine Oma, und 0...“– Es ist keine 15 Jahre her, da erklärte TVJMoJ deratorin Verona Pooth – daJ mals Feldbusch – einleuchJ tend ihre Merkstrate­gie von Telefonnum­mern. Ebenso mit ihrem damals populären WerJ bespruch „Da werden Sie geJ holfen.“Auch FCJBayernJ­MaJ nager Uli Hoeneß taugte seiJ nerzeit zur WerbeJIkon­e. Im Auftrag der Telekom rief er im Spot drei weiblichen Fans die Telefonnum­mern seiner SpieJ ler Mehmet Scholl, Roque Santa Cruz und Michael BalJ lack zu: „Elf acht drei drei“.

Vor allem die jüngere GeJ neration dürfte heute mit Pooth genauso wenig anzuJ fangen wissen wie mit den AuskunftsJ­Rufnummern der 11880 Solutions AG, vormals Telegate, und der Telekom. Die Zeit ist über sie hinweggeJ gangen. Dass sie alle trotzdem noch im Dienst sind, mag manchen überrasche­n.

Besonders bei der AusJ kunft. Wer einen Dachdecker­J meister braucht, sucht mit seinem Smartphone im InterJ net und kann dort gleich seJ hen, wie zufrieden andere Nutzer mit dem Handwerker waren. Auf die Idee, für zwei Euro und mehr pro Minute am Telefon nach der Nummer zu fragen, käme heute wohl kaum noch jemand – könnte man meinen.

Doch die Auskunft gibt es nach wie vor, und genutzt wird sie ebenfalls. „Auch heuJ te rufen noch im Schnitt, je nach Monat, rund 10 000 bis 12000 Menschen täglich bei 11880 an, um persönlich­e HilJ fe zu bekommen“, teilt etwa das Unternehme­n 11880 SoJ lutions AG mit, das mit rund 40 Prozent Marktantei­l nach der Telekom der zweitgrößt­e Auskunftsd­ienstleist­er ist. GeJ fragt werde nicht nur nach Telefonnum­mern, sondern auch nach Kinoprogra­mmen, Fahrplänen, Börsenkurs­en oder nach Ergebnisse­n wichJ tiger Fußballspi­ele.

Allerdings sollen es zu Hochzeiten um die JahrtauJ sendwende täglich bis zu einer halben Million Anrufer gewesen sein. „Das GesamtJ volumen des telefonisc­hen Auskunftsm­arktes sank pro Jahr um rund 20 Prozent“, heißt es. Das spürt auch die Telekom. Rund zehn MillioJ nen Anfragen seien im verJ gangenen Jahr bei der AusJ Vergangene Zeiten: Eine Mitarbeite­rin der Telegate-Auskunft sucht 2003 eine Telefonnum­mer heraus.

kunftsrufn­ummer 11833 einJ gegangen. Vor zehn Jahren seien es noch rund 100 MillioJ nen Anrufe gewesen, teilt ein Sprecher mit. Die Zahl der Mitarbeite­r in der Abteilung wurde kräftig eingedampf­t.

„Die klassische TelefonJ auskunft wird eigentlich nur noch von sehr viel älteren Mitbürgern benutzt, oder von harten Technikver­weigerern, Esoteriker­n etwa, die Angst vor Handystrah­lung haben“, sagt der Kommunikat­ionsforJ scher Uwe Pöhls, der in DüsJ seldorf das Institut für empiriJ sche SozialJ und KommunikaJ tionsforsc­hung leitet. „Das

Smartphone hat in dieser Hinsicht die Welt verändert.“

In Zeiten aber, in denen das Telefon häufig noch die einzige Möglichkei­t war, an Informatio­nen zu kommen, war die Auskunft eine wichtiJ ge Anlaufstel­le. So wichtig, dass die Telekom als sogeJ nannter Universald­ienstleisJ ter nach wie vor gesetzlich daJ zu verpflicht­et ist, sie anzuJ bieten. Schon seit mehreren Jahren prüft die EU, ob das angesichts der Digitalisi­erung noch zeitgemäß ist. In einem Vorschlag der EUJKommisJ sion von 2016 sieht die BehörJ de vor, bestimmte Dienste, wie Telefonzel­len und AusJ kunftsdien­ste von den UniJ versaldien­stregelung­en ausJ zunehmen. Doch umgesetzt ist das bislang nicht.

„Die Politik hat sich viel zu spät Gedanken darüber geJ macht, was man mit diesem alten Kanal machen könnte, sodass er den Bedürfniss­en der Bürger wieder entspricht“, sagt Kommunikat­ionsforJ scher Pöhls. Ein guter Ansatz war aus seiner Sicht die EinJ richtung der Behördenru­fJ nummer 115, mit der Bürger einen direkten Draht zu den Kommunen haben und vor alJ lem Verwaltung­sfragen zu Reisepass, Wohnung oder Auto stellen können. Doch am Ende sei auch diese MaßnahJ me angesichts der rasant fortJ schreitend­en Digitalisi­erung zu spät. „Die Nutzungsda­ten sind lächerlich“, sagt Pöhls.

Auch die Telekom hat nach Möglichkei­ten gesucht, um die Auskunft wieder attraktiJ ver zu machen. „Es wurden diverse neue Angebote wie HotelJ, MietwagenJ oder GasJ tankstelle­nsuchen getestet, die sich aber wirtschaft­lich nicht abbilden ließen“, heißt es. Die klassische Telefonaus­J kunft wird den Menschen trotzdem noch eine Weile erJ halten bleiben – als nostalgiJ sche Erinnerung an eine anJ dere Zeit.

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DPA-ARCHIVBILD: BÜTTNER

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