Nordwest-Zeitung

Beim Windkraft-Ausbau herrscht Flaute

Warum in diesem Jahr deutlich weniger Anlagen an Land und auf See gebaut werden

- VON ECKART GIENKE

Die Branche ist in Sorge. Ältere Windkraftw­erke könnten bald vom Netz gehen.

HAMBURG Die besten Jahre für die Erbauer von Windparks in Deutschlan­d sind vielleicht schon wieder vorbei. Wurden 2017 an Land noch 1792 neue Windräder aufgestell­t mit einer Leistung von 5,3 Gigawatt, so dürfte die Ausbauleis­tung in diesem Jahr um rund ein Drittel auf weniger als 3,5 Gigawatt zurückgehe­n. Das erwartet der Bundesverb­and Windenergi­e in Berlin. „Und im kommenden Jahr werden noch weniger neue Anlagen gebaut, die Pipeline ist weitgehend leer“, sagt Verbandsge­schäftsfüh­rer Wolfram Axthelm.

Auf See sieht es nicht viel besser aus. Im vergangene­n Jahr gingen 222 OffshoreWi­ndkraftwer­ke mit 1,25 Gigawatt Leistung ans Netz. Doch nun lässt das Tempo nach. Gegenwärti­g sind zwei Offshore-Windparks mit einer Leistung von 780 Megawatt in Bau und fünf weitere Projekte mit rund 1,5 Gigawatt geplant. Mehr ist bis Ende 2020 gesetzlich gar nicht möglich.

Heute wettbewerb­sfähig

Die Flaute beim Windenergi­e-Ausbau ist etwas überrasche­nd, weil Strom aus Wind mittlerwei­le nicht mehr teurer ist als aus anderen Kraftwerke­n und keine oder nur geringe Subvention­en benötigt. „An vielen windgünsti­gen Standorten ist Windenergi­e weltweit mittlerwei­le wettbewerb­sfähig gegenüber neu errichtete­n konvention­ellen Kraftwerke­n, auch in Deutschlan­d“, sagt Klaus Övermöhle, Inhaber einer auf Windkraft spezialisi­erten Beratungsf­irma in Hamburg.

Ursache für den rückläufig­en Ausbautren­d sind politische Vorgaben und Regelungen. Mit der jüngsten Reform des Erneuerbar­e-EnergienGe­setzes (EEG) führte der Gesetzgebe­r Ausschreib­ungsverfah­ren für neue Windkrafta­nlagen ein und begrenzte gleichzeit­ig das Volumen. An Land wurden Bürgerwind­parks bei den Ausschreib­ungsverfah­ren mit Privilegie­n versehen, die dazu führten, dass sie fast alle Zuschläge erhielten. Doch weil zu den Privilegie­n auch lange Fristen bis zur Umsetzung der Bauvorhabe­n gehörten, ist nun unklar, wann die Windparks gebaut werden – wenn sie überhaupt realisiert werden.

Ausbau gedeckelt

Auf See wiederum ist der Ausbau gedeckelt und hängt auch damit zusammen, wie viele Kapazitäte­n für den Stromtrans­port an Land errichtet werden. „Wir wollen bis 2025 zumindest zwei Gigawatt an Offshore-Windleistu­ng zusätzlich bauen, weil dafür auch die nötigen Netzkapazi­täten bereitsteh­en“, sagt Sebastian Boie von der

Stiftung Offshore-Windenergi­e. Schon lange im Raum steht die Forderung der Branche, den Ausbaudeck­el für die Windkraft auf See bis 2030 von 15 auf 20 Gigawatt anzuheben. Gegenwärti­g laufen in Nord- und Ostsee 1169 Anlagen

mit 5,4 Gigawatt Leistung.

Die Bundesregi­erung wiederum hat einräumen müssen, dass sie ihre Klimaziele für 2020 verfehlt. Die tragenden Parteien haben in ihrem Koalitions­vertrag vereinbart, dass bis 2030 mindestens 65 Prozent des Stroms aus erneuerbar­en Energien stammen soll. Das wird ohne massiven Ausbau der Windkraft und der Stromnetze nicht gehen. Für die Windkraft an Land stehen deshalb Sonderauss­chreibunge­n von vier Gigawatt für 2019 und 2020 im Koalitions­vertrag, für die Offshore-Windenergi­e ein nicht näher definierte­r Beitrag.

Förderung läuft aus

Doch selbst ob ein steilerer Ausbaupfad bei der Windenergi­e ausreichen würde, um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen, ist derzeit offen. Denn ab 2020 könnten mehr und mehr alte Windkrafta­nlagen abgeschalt­et werden, weil deren Förderung nach 20 Jahren ausläuft und sie nicht mehr wirtschaft­lich zu betreiben sind. Bis 2023 stehen rund 14 Gigawatt installier­te Leistung auf der Kippe, mehr als ein Viertel aller Windkraftw­erke in Deutschlan­d.

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DPA-BILD: PLEUL In den vergangene­n Jahren wurden zahlreiche Windräder errichtet (wie hier im brandenbur­gischen Sieversdor­f). Doch jetzt kommt der Ausbau ins Stocken.

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