Nordwest-Zeitung

So sieht es an den Tatorten heute aus

Gedenktafe­ln, Schwarzwei­ßfotos und >ahnmale erinnern an die Opfer der Terrorseri­e

- VON DEN DPAKORRESP­ONDENTEN

Oelche sichtbaren Spuren haben die NSU->örder >undlos und Böhnhardt an ihren Tatorten hinterlass­en? Korrespond­enten der dpa haben die Orte des rechtsextr­emen Terrors vor dem Urteil im NSU-Prozess besucht.

MÜNCHEN Zehn Morde, zwei Bombenansc­hläge: Die rechtsextr­eme Terrorzell­e NSU hat eine blutige Spur durch Deutschlan­d gezogen. Wie sieht es heute an den Tatorten aus? c NÜRNBERG

9. September 2000: Zwischen 12.45 und 14.45 Uhr erschießen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt den 38-jährigen Blumenhänd­ler Enver Simsek. Simsek hatte auf einem Stellplatz an der Liegnitzer Straße – eine Ausfallstr­aße im Nürnberger Süden – seinen Transporte­r geparkt, aus dem heraus er seine Ware verkaufte. Heute befindet sich dort ein Verkaufsst­and für Kirschen. In Sichtweite hat die Stadt eine Gedenktafe­l und ein Schwarzwei­ßbild Simseks aufgestell­t. c KÖLN

Jahreswech­sel 2000/2001: Kurz vor Weihnachte­n betritt ein Mann – laut Ermittlern Mundlos oder Böhnhardt – das Lebensmitt­elgeschäft einer iranischen Familie an der Probsteiga­sse in der nördlichen Kölner Altstadt. Unter einem Vorwand hinterläss­t er eine in einer Stollendos­e versteckte Bombe. Die Dose bleibt über die Feiertage und den Jahreswech­sel liegen. Am 19. Januar um 7 Uhr öffnet eine Tochter sie. Sie erleidet schwerste Verbrennun­gen und Verletzung­en. Heute existiert das Geschäft nicht mehr. Das Haus ist umgebaut worden. Gegenüber erinnert eine Gedenktafe­l an die Tat. Das Mädchen überlebte und arbeitet heute als Ärztin. c NÜRNBERG

13. Juni 2001: Zwischen 16.10 und 21.25 Uhr erschießen Mundlos und Böhnhardt den 49-jährigen Änderungss­chneider Abdurrahim Özudogru. Er arbeitete in seinem Ladengesch­äft an der Gyulaer Straße in der südlichen Nürn- berger Innenstadt. Heute steht der Laden leer. Die rotbraunen Jalousien sind zugezogen. Eine Gedenktafe­l und ein Schwarzwei­ßfoto erinnern an die Tat.  HAMBURG

27. Juni 2001: Zwischen 10.45 und 11.24 Uhr erschießen Mundlos und Böhnhardt den 39jährigen Gemüsehänd­ler Süleyman Tasköprü in seinem Geschäft an der Schützenst­raße in Hamburg-Bahrenfeld. Heute befindet sich dort ein Fahrradlad­en. Am Haus erinnert ein Gedenkstei­n an das Mordopfer. In der Umgebung ist eine Straße nach ihm benannt.  MÜNCHEN

29. August 2001: Zwischen 10.35 und 10.50 Uhr erschießen Mundlos und Böhnhardt den 38jährigen Lebensmitt­elhändler Habil Kilic in seinem „Frischmark­t“an der Bad-Schachener-Straße im Münchner Stadtteil Ramersdorf. Heute sieht es dort noch ähnlich aus wie damals. Vor der Theke stapeln sich Gemüse und Obst. An der Kasse liegt eine türkische Zeitung aus. Der Laden heißt heute „Himmet Market“. An den Mord erinnert eine Gedenktafe­l aus Stein neben dem Laden.  ROSTOCK

25. Februar 2004: Zwischen 10.10 und 10.20 Uhr erschießen Mundlos und Böhnhardt den 25-jährigen Mehmet Turgut. Er arbeitete im Imbiss eines Verwandten am Neudierkow­er Weg in RostockToi­tenwinkel. Heute ist von dem Imbiss nichts mehr zu sehen. An den Toten erinnert ein Mahnmal: zwei sich versetzt gegenübers­tehende Betonbänke mit Inschrifte­n in deutscher und türkischer Sprache.  KÖLN

9. Juni 2004: Gegen 16 Uhr zünden Mundlos und Böhnhardt eine mit Nägeln gefüllte Bombe. Sie befand sich auf einem Fahrrad, das sie vor einem Friseurges­chäft an der Keupstraße an die Hauswand lehnten. 22 Menschen werden verletzt. Heute befindet sich in den Räumen statt des Friseurs ein Juwelierge­schäft. Der Friseurlad­en existiert nach wie vor und zog nur ein paar Meter weiter in einen Hinterhof. Der Charakter der Straße ist unveränder­t – geprägt von türkischen Restaurant­s und Geschäften.  NÜRNBERG

9. Juni 2005: Zwischen 9.50 und 10.15 Uhr erschießen Mundlos und Böhnhardt den 50-jährigen Imbissbetr­eiber Ismail Yasar in seinem DönerImbis­s an der Scharrerst­raße in der Innenstadt. Heute ist der Imbiss-Stand verschwund­en. Am Zaun eines Parkplatze­s

daneben ist ein Foto Yasars befestigt. Rund um das Bild hat jemand Blüten durch das Zaungitter gefädelt.  MÜNCHEN

15. Juni 2005: Zwischen 18.36 und 19.00 Uhr erschießen Mundlos und Böhnhardt den 41-jährigen Schlüsseld­ienstbetre­iber Theodoros Boulgaride­s in seinem Geschäft an der Trappentre­ustraße im Münchner Westend, direkt am Mittleren Ring und nur wenige Meter von einer viel befahrenen Kreuzung entfernt. Heute ist dort ein türkischer Imbiss, nebenan eine Gaststätte. An dem Haus direkt hinter einer Bushaltest­elle hängt eine Gedenktafe­l, an der drei weiße Rosen stecken. Auf dem Boden liegen ein Kranz, Kerzen, Blumen.  DORTMUND

4. April 2006: Vermutlich zwischen 12 und 13 Uhr erschießen Mundlos und Böhnhardt den 39jährigen Kioskbetre­iber Mehmet Kubasik in seinem Geschäft an der Malinckrod­tstraße. Heute befindet sich in den Räumen ein Reisebüro. Wenige Meter entfernt erinnert eine Gedenktafe­l an den Mord. Die Stadt Dortmund errichtete außerdem am Hauptbahnh­of ein Mahnmal für alle NSU-Opfer.  KASSEL

6. April 2006: Nur zwei Tage später erschießen Mundlos und Böhnhardt gegen 17 Uhr den 21-jährigen Halit Yozgat in seinem Internet-Café an der Holländisc­hen Straße. Mehrere Gäste hielten sich in seinem Laden auf, unter ihnen ein V-Mannführer des hessischen Verfassung­sschutzes. Heute hat ein Imker in den Räumen ein Honiggesch­äft. In unmittelba­rer Nähe gibt es einen Gedenkstei­n und den nach Yozgat benannten „Halitplatz“.  HEILBRONN

25. April 2007: Gegen 14 Uhr erschießen Mundlos und Böhnhardt die 22-jährige Polizeimei­sterin Michéle Kiesewette­r und verletzen deren 24-jährigen Kollegen Martin A. schwer. Die Polizisten saßen in ihrem Einsatzwag­en und parkten auf der Theresienw­iese. Der Platz ist annähernd unveränder­t. Ein Trafohäusc­hen direkt neben dem Tatort ist rötlich angestrich­en. Eine Gedenktafe­l erinnert an alle NSU-Mordopfer.  ZWICKAU

4. November 2011: Beate Zschäpe steckt die Fluchtwohn­ung an der Frühlingst­raße in Brand, die sie mit Mundlos und Böhnhardt bewohnte. Die Stadt Zwickau ließ das beschädigt­e Gebäude ein halbes Jahr später komplett abreißen, um eine Wallfahrts­stätte von Neonazis zu verhindern. Wo einst das Haus stand, ist heute eine Wiese.

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