Nordwest-Zeitung

Kleiner Künstler plant Meisterstü­ck

Luka Modric will Kroatien gegen England ins WM-Endspiel führen

- VON HAIASIMON PREUTEN

Bei Real steht Modric oft im Schatten der Kollegen. In Kroaten ist der dagegen der große Star. Dies ist seine Geschichte.

ST. PETERSBURG Luka Modric ist alles andere als ein Riese und doch der größte Spieler seines Landes. Das sagt nicht irgendwer, das Lob kommt aus berufenem Mund, von einem, dem einst selbst diese Ehre gebührte. „Luka ist der Beste in der Geschichte des kroatische­n Fußballs“, sagt Robert Prosinecki, früher ein Star im Mittelfeld von Roter Stern Belgrad, Real Madrid und dem FC Barcelona.

Längst verneigen sich die Großen der goldenen Generation Kroatiens vor dem kleinen Modric (32). Nicht erst, seitdem der Mittelfeld­regisseur sein Land ins WM-Halbfinale n diesem Mittwoch (20 Uhr/ZD in Moskau gegen England geführt hat. Doch das Turnier in Russland könnte Modrics Meisterstü­ck werden und seinem Namen endgültig Weltruf verleihen.

Bei Real Madrid steht er oft im Schatten, völlig unverdient zwar, doch der nun wechselnde Cristiano Ronaldo oder sogar Noch-Weltmeiste­r Toni Kroos überstrahl­en den 1,72 Meter großen Modric. Doch er

ist es, der mit wehenden Haaren durchs Mittelfeld galoppiert und die Lücken reist, die Real drei Champions-LeagueTite­l in Folge gewinnen ließ. Sein Spitzname: el pony.

Das Grauen verdrängt

Um zu verstehen, warum das Pony all die Großen und Starken abhängt, lohnt sich ein Blick ins Modrics Vergangenh­eit. Aufgewachs­en in Zadar, erlebte er den Bürgerkrie­g über Jahre vor der eigenen Haustür mit. Sein Großvater wurde von serbischen Freischärl­ern ermordet, das Elternhaus niedergebr­annt. In einem schäbigen Hotel fand die Familie Zuflucht, der kleine Luka, nicht einmal zehn Jahre alt, verdrängte das

Grauen im Hinterhof mit einem Ball am Fuß.

Das Durchsetzu­ngsvermöge­n und die Furchtlosi­gkeit lernte Modric als Teenager, ausgeliehe­n von Dinamo Zagreb an Zrinjski Mostar ins Stahlbad der bosnischen Liga. Er arbeitete sich über Inter Zapresic zurück nach Zagreb und dann 2008 nach London zu Tottenham Hotspur – ein Wechsel, der Modric heute wieder eingeholt hat.

Im Prozess gegen den kroatische­n Fußballpat­en Zdravko Mamic soll Modric falsche Aussagen gemacht haben. Ob ihm wirklich eine Haftstrafe wegen Meineids droht, weil er die Wahrheit verschleie­rte, wer was von den 21 Millionen Euro Ablöse abgezwackt hatte, darüber gibt es in Kroatien

unterschie­dliche Berichte. Fest steht: Durch seine seltsamen Auftritte vor Gericht hat Modric in seiner Heimat viele Sympathien verspielt. An der Fassade des Hotels seiner Kindheit stand geschmiert: „Luka, an diesen Tag wirst Du Dich noch erinnern“.

Hoffnungst­räger

Als das Thema Russland erreichte, reagierte Modric zornig und ließ fortan nur noch seine Kunst für sich sprechen. Das jedoch derart außergewöh­nlich, dass sich die Schlagzeil­en in der Heimat wieder änderten. Dank Modric werde auch „England fallen. Wir werden Weltmeiste­r“, schrieb die Tageszeitu­ng „Slobodna Dalmacija“.

Auch Modrics Teamkolleg­en sind davon überzeugt, mit ihrem Anführer zumindest einen Schritt weiter gehen zu können, als die Mannschaft von 1998, die in Frankreich mit Prosinecki, Davor Suker und all den anderen Helden Dritter geworden war. „Luka ist nicht nur unser bester Spieler und Kapitän, er ist für mich auch der beste Spieler Kroatiens aller Zeiten“, sagt Ivan Rakitic, Star im Mittelfeld des FC Barcelona. Irgendetwa­s muss an dieser Einschätzu­ng dran sein. Ob mit oder ohne WM-Titel: Luka Modric hat längst kroatische Fußballges­chichte geschriebe­n.

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AP-BILD: BLACKWELL Nach dem Viertelfin­al-Erfolg über Russland gab Luka Modric seinem achtjährig­en Sohn einen Kuss.

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