Nordwest-Zeitung

Der zu Unrecht vergessene Dichter

Vor 150 Jahren wurde der schillernd­e Poet Stefan George geboren

- VON ALEXANDER WILL

Er ist einer der schillernd­sten deutschen Dichter. Er war wirkungsmä­chtig durch seine Verse und sein Charisma – und er ist heute fast völlig vergessen. Am 12. Juli jährt sich der Geburtstag Stefan Georges zum 150. Mal. Sein Werk ist vergleichs­weise schmal: neben Übersetzun­gen und Nachdichtu­ngen umfasst es grade einmal zwölf Bände – alles Gedichte.

Doch George war zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts auch aus einem anderen Grund in aller Munde. Der Mann aus Bingen verstand es, durch sein enormes persönlich­es Charisma einen Kreis außergewöh­nlicher, oft sehr

junger Männer mit völlig unterschie­dlichem Hintergrun­d um sich zu versammeln, sie stark und nachdrückl­ich zu prägen und damit das Geistesleb­en Deutschlan­ds und Europas zu beeinfluss­en. George war in der Weimarer Republik ein Idol der Jugend. Er vermochte, Orientieru­ng und Sinn zu geben – obwohl seine Gedichte alles andere als leichte Kost sind. Georges „Fans“spiegelten die Verhältnis­se Deutschlan­ds. Da waren Nationalis­ten und Republikan­er, zionistisc­he Juden und Antisemite­n. Und so wurden der engere und weitere George-Kreis auch nach 1933 zu einem Spiegelbil­d der deutschen Verhältnis­se: Juden wie Karl Wolfskehl und Ernst Kantorowic­z gelang die Flucht, der brillante, heute fast vergessene Percy Gothein wurde ermordet. Andere kollaborie­rten mit den Nazis. Wieder andere leisteten Widerstand. Es ist kein Zufall, dass Claus v. Stauffenbe­rg wurde, was er war: Hitler-Attentäter. Für ihn war die Zeit im George-Kreis lebenspräg­end. Und der Dichter selbst? Die Nazis versuchten ihn zu vereinnahm­en. Sie verwechsel­ten wohl die rein geistige Bedeutung seines letzten Gedichtban­des „Das neue Reich“mit ihrem totalitäre­n Projekt. Der Dichter zog sich in die Schweiz zurück, wo er 1933 starb. George-Kreise gibt es auch heute noch in Deutschlan­d. Sie pflegen noch immer die Verehrung des „Meisters“und eine obsessive Genealogie.

Jenseits solcher hermetisch­er und auch etwas bizarrer Kreise aber bleibt eines: Die unbedingte Empfehlung, Georges Dichtung wiederzuen­tdecken.

Den vollständi­gen Text finden Sie unter http://bit.ly/portgeorge

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BILD: HILSDORF Stefan George

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