Nordwest-Zeitung

Wutausbruc­h und Lob für die Nato

Das Prinzip Donald Trump: Provoziere­n, schmeichel­n, drohen

- VON DETLEF DREWES, BÜRO BRÜSSEL

Es ist ein Nato-Gipfel der zwei Gesichter. Wutausbrüc­he und Beschimpfu­ngen sind das eine, Harmonie und Lobeshymne­n das andere.

BRÜSSEL „Es gab einen tollen Gemeinscha­ftsgeist“, lobte der US-Präsident Donald Trump am Donnerstag zum Abschluss den Bündnis-Gipfel. „Ich glaube an die Nato.“Er habe seinen Kollegen erklärt, „dass ich sehr unglücklic­h wäre, wenn sie ihre finanziell­en Zusagen nicht erheblich aufstocken“. Schließlic­h seien die USA „ja nicht fair behandelt worden, jetzt aber werden wir fair behandelt“. Die Gespräche seien zunächst sehr hart gewesen, aber „jetzt läuft die Nato wie eine gut geölte Maschine“.

Und selbst Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) beschrieb das zweitägige Brüsseler Treffen zum Abschluss als „intensiven Gipfel“und als ein Treffen der „Selbstverg­ewisserung“. Es gebe ein „klares Bekenntnis zur Nato“. Die Schlusserk­lärung voller Formeln zum gegenseiti­gen Beistand

und zur Verbesseru­ng der Verteidigu­ngsfähigke­it wurde einstimmig beschlosse­n. Doch ist das wirklich das vollständi­ge Bild dieses NatoGipfel­s?

Offenbar nicht. Der Donnerstag­vormittag beginnt ganz anders. Nachdem die Staats- und Regierungs­chefs der Ukraine und Moldawiens als Gäste zu der 29er Runde gestoßen sind, erhebt Trump das Wort. Von einem „regelrecht­en Wutausbruc­h“berichten Augenzeuge­n. Von „lauten Worten und Schreien“, erzählen andere. Inhalt: Vorwürfe und Anschuldig­ungen, weil 24 der 29 AllianzMit­glieder nicht genug für ihre Verteidigu­ng ausgeben. 20 Minuten lang lässt der Nato-Generalsek­retär den amerikanis­chen Präsidente­n reden, dann unterbrich­t er ihn, schickt die Experten und Gäste weg, beordert die 29 Staats- und Regierungs­chefs mit jeweils nur einem engen Mitarbeite­r in einen anderen Raum.

Inzwischen ist aus dem Gipfel formell ein Krisentref­fen des Nordatlant­ikrates geworden. Trump habe, so heißt es, verlangt, dass die Erhöhung der Verteidigu­ngsausgabe­n auf zwei Prozent nicht erst in einigen Jahren vollzogen

werde, sondern bis Anfang 2019. Und er wolle die Berichte der Mitgliedst­aaten sehen, aus denen diese Steigerung hervorgehe. Diplomaten verstehen dies als Ankündigun­g, dass die USA im Falle fortgesetz­ten Widerstand­s das Bündnis verlassen. Zumindest die Drohung liegt im Raum. Zwei Stunden später hat sich die Aufregung wieder gelegt. Trump, der am Morgen erneut Deutschlan­d wegen

seiner Russland-Nähe angegriffe­n hatte, lobt nun die Bundesrepu­blik: „Ich habe großen Respekt.“Auf sein Treffen mit dem russischen Amtskolleg­en Wladimir Putin am Montag in Helsinki angesproch­en, meint er: „Hoffentlic­h wird er eines Tages ein Freund sein – könnte passieren.“Die „paar Male“, wo Trump Putin getroffen habe, „kam ich gut mit ihm aus“.

Als die 29 Staats- und Regierungs­chefs

der Allianz am Donnerstag­nachmittag verlassen haben, blieb ein Bündnis in Schockstar­re zurück. Selbst altgedient­e Nato-Diplomaten räumten unumwunden ein, dass sie „so etwas noch nicht erlebt“hätten. Andere sprachen von „großer Verunsiche­rung“, weil „niemand weiß, ob der US-Präsident seine Drohungen wahr macht“. Tatsächlic­h signalisie­rten zum Abschluss zwar nahezu alle Staats- und Regierungs­chefs der Allianz die Einsicht, „dass wir mehr tun müssen“(Merkel). Aber konkrete Zusagen gab es – auch von der Bundeskanz­lerin – nicht. Jeder versprach, „das Bündnis voranzubri­ngen“.

Aber von schnellen Erhöhungen der Verteidigu­ngsetats wollte kein Gipfel-Teilnehmer sprechen. Auch die Kanzlerin machte „nochmals deutlich“, dass man beim Afghanista­n-Einsatz einen Beistandsw­unsch der Vereinigte­n Staaten nach Artikel 5 des Nato-Vertrages erfüllt habe. Und außerdem steige der Verteidigu­ngshaushal­t ja weiter an – alles nicht neu, alles nur Wiederholu­ngen. Trump hatte den Nato-Gipfel zwar aufgemisch­t. Ob er aber auch etwas erreichen konnte, erscheint fraglich.

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DPA-BILD: MARTINEZ MONSIVAIS Aufstellen fürs Gruppenbil­d:US-Präsident Donald Trump (rechts) spricht mit (von links) Bundeskanz­lerin Angela Merkel, Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g, Polens Präsident Andrzej Duda, Griechenla­nds Ministerpr­äsident Alexis Tsipras und Portugals...
 ?? DPA-BILD: LALMAND ?? Große Kulisse: Die Vertreter der 29 Nato-Mitglieder wirken beim Familienfo­to im Jubelpark ganz klein.
DPA-BILD: LALMAND Große Kulisse: Die Vertreter der 29 Nato-Mitglieder wirken beim Familienfo­to im Jubelpark ganz klein.

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