Nordwest-Zeitung

Eltern erben Facebook-Konto der Tochter

Entscheidu­ng des Bundesgeri­chtshofs – Familie von verstorben­em Mädchen be3ommt Zugang

- VON MICHAEL JACQUEMAIN

Das Urteil betrifft Millionen Nutzer. Und eigentlich muss sich nun jeder mit seinem digitalen Nachlass befassen.

KARLSRUHE Künftig können nicht nur Fondspapie­re, Fotoalben oder Fahrräder, sondern kann auch ein FacebookKo­nto zum Nachlass gehören. Der Bundesgeri­chtshof (BGH) stellte am Donnerstag in Karlsruhe das elektronis­ch-digitale Erbe mit dem materielle­n gleich. Wer das nicht will, muss seinen digitalen Nachlass in einem Testament anders regeln.

Einen Riegel entfernt

Konkret entschied der Dritte Zivilsenat des BGH über den Anspruch von Eltern auf den Zugang zum FacebookKo­nto ihrer 2012 verstorben­en Tochter. Sie verunglück­te in einem Berliner U-Bahnhof. Bis heute fragen sich Mutter und Vater, ob die 15-Jährige sterben wollte oder ob sie das Opfer eines Unglücks wurde.

Vom Facebook-Konto und dort gespeicher­ten Chat-Protokolle­n erhoffen sie sich darauf Antworten – doch der Konzern hat die Seite gesperrt und, so nennt es die Firma, in einen „Gedenkzust­and“versetzt. Selbst mit dem richtigen Passwort kommt derzeit niemand mehr an die Daten.

Diesen Riegel hat der BGH nun entfernt. Der Anspruch der Eltern, die nicht zur Urteilsver­kündung erschienen waren, sei begründet. Die Regelungen des Konzerns zum Gedenkzust­and nannte der Senat schlicht „unwirksam“. Sie waren zum Zeitpunkt, an dem die Tochter im Einverstän­dnis mit ihren Eltern die Facebook-Seite anlegte, noch nicht einmal Teil des Vertrages, sondern lediglich unter dem Menüpunkt „Hilfe“aufzufinde­n. Sie hätten aber auch, so stellt der BGH klar, „einer Inhaltskon­trolle nicht standgehal­ten“.

Rat zu Datenhygie­ne

Facebook hatte sich in der Verhandlun­g auf das Fernmeldeg­eheimnis berufen. Die Kommunikat­ionspartne­r des Mädchens hätten einen Anspruch auf Schutz ihrer Privatsphä­re. Jugendlich­e bräuchten Räume, in denen sie sich ungestört von den Eltern unterhalte­n können müssten, so der Internetko­nzern. Bereits in der Verhandlun­g hatte der Vorsitzend­e Richter Ulrich Herrmann betont, dass dieses Argument des „sogenannte­n Sozialen Netzwerks“nicht überzeuge. Dass die Position wenig schlüssig ist, zeigt schon der Vergleich, dass auch ein Brief, der in einem Nachlass gefunden wird, den Erben gehört – unabhängig davon, ob das dem Autor des Textes passt oder nicht. Experten raten schon zu Lebzeiten zu „Datenhygie­ne“. Und zu einem Testament, das auch den Umgang mit dem digitalen Nachlass eindeutig regelt.

KOMMENTAR, SEITE 4

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