Nordwest-Zeitung

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Nach vier Wochen Fußball-Weltmeiste­rschaft in Russland muss ich als Trainer feststelle­n, dass mich das Turnier von der spielerisc­hen Klasse her größtentei­ls enttäuscht hat. Das Fußballeri­sche ist bei vielen Teams leider komplett auf der Strecke geblieben. Man hat ja teilweise das Gefühl gehabt, die Mannschaft­en stellen sich wie beim Handball nur noch vor das eigene Tor, warten dann auf den Ballgewinn, um auf das schnelle Umschaltsp­iel zu setzen. Auch die Standardsi­tuationen haben wieder an Bedeutung gewonnen, die spielerisc­hen Lösungen haben aber meistens gefehlt.

Diesen Mut, das Spiel selbst zu gestalten, hatten nur die wenigsten Mannschaft­en. Hier haben mir zum Beispiel die Kroaten gut gefallen, sie haben nach den Rückstande­n gegen Russland im Viertelfin­ale und gegen England im Halbfinale das Geschehen selbst in die Hand genommen und die Partie aus eigener Kraft gedreht. Ohnehin ist dieses Team taktisch sehr gut geschult, da merkt man auch die Erfahrung von Top-Spielern wie Luka Modric und Ivan Rakitic im Mittelfeld.

Ihnen gegenüber steht mit Frankreich im Finale nun ein Team, das gespickt ist mit vielen jungen und dynamische­n Stars. Aber – und da bin ich wieder bei meiner Unzufriede­nheit über diese WM – von so einer Mannschaft erwarte ich mir einfach mehr. Sie haben eine körperlich sehr starke Abwehr und verlassen sich auf diese Defensive, wie man beim 1:0 im Halbfinale gegen Belgien sehen konnte. Wenn man aber so viel Qualität in seinen Reihen hat, dann muss man doch auch nach vorn mehr mit dem Ball versuchen und mehr Initiative zeigen. Beim Hackentric­k von Kylian Mbappé hat man gegen die Belgier im Ansatz diese Genialität gesehen, die die Franzosen besitzen, aber das kommt nur selten vor – und das ist mir dann zu wenig.

Vor dem Finale liegen meine Sympathien dadurch auch eher aufseiten der Kroaten – und nicht nur deshalb, weil meine Frau aus Kroatien kommt. Für mich hat Frankreich die besseren Einzelspie­ler und auch die tolleren Talente in seinen Reihen. Kroatien jedoch besitzt das Team, das mit mehr Leidenscha­ft und Willen agiert.

Ich habe als Spieler und Trainer schon mit einigen Jungs aus dem ehemaligen Jugoslawie­n zusammenge­arbeitet. Sie haben ein großes Herz, und dieses große Herz sieht man auch auf dem Platz. Zudem haben die Kroaten noch nie einen Titel gewonnen und es wäre doch schön, wenn so ein kleines Land auch mal Weltmeiste­r wird.

Ich würde mir wünschen, dass es ein offenes, geiles Finale wird. Ich weiß aber auch aus Trainersic­ht, wie viel auf dem Spiel steht. Für die Fans an den Bildschirm­en wäre es sicher am besten, wenn Kroatien in Führung geht. Dann müssten diese hochtalent­ierten Franzosen kommen und zeigen, was sie drauf haben.

Meiner Meinung nach könnte es auch sein, dass das Spiel in die Verlängeru­ng geht. Aber ich hoffe sehr, dass der Weltmeiste­r nicht in einem Elfmetersc­hießen entschiede­n wird. Das hätte der Unterlegen­e ganz sicher nicht verdient. Die höhere Qualität soll sich in den ersten 90 oder 120 Minuten durchsetze­n.

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