Früher war mehr Freiheit
Gie der :andhaufen zum :pielplatz wurde
Die Bonner Bundeskunsthalle hat ein ungewöhnliches Thema entdeckt – die Geschichte des :pielplatzes. Erste Erkenntnis: Die Freiräume für Kinder schwinden.
BONN Aktueller Trend auf Deutschlands Spielplätzen: Sicherheitsbewusste Eltern lassen ihren Nachwuchs nur mit Fahrradhelm auf die Schaukel oder ins Kletternetz. Dabei raten Experten dringend davon ab, weil der Helm hängen bleiben kann und sich das Kind womöglich stranguliert. Übervorsichtigen Eltern kann man nur den Rat geben: Besucht die Bundeskunsthalle in Bonn!
In dem Museum gibt es bis zum 28. Oktober auf großen Fotos Dinge zu sehen, die sie überraschen dürften: Kinder und Jugendliche erklimmen an Seilen einen selbst zusammengezimmerten haushohen Turm. Sie schmoren Stöcke in einem offenen Feuer. Sie heben Gänge aus. Ohne Aufsicht! Vor ein paar JahrzehnJugendfreude“,
ten ging das noch alles. Die Ausstellung dokumentiert die Geschichte des Spielplatzes, in der sich immer auch Politik und Gesellschaft spiegeln.
Schutzräume
Am Anfang war die Sandkiste, damals „Sandhaufen“genannt. Ende des 19. Jahrhunderts richteten viele Städte wie Hamburg, Dresden, Stuttgart und Leipzig solche Sandspielplätze ein. „Ein Platz im Sonnenlicht und ein großer Sandhaufen zum Selberschaffen, zum Bauen und Graben, das ist in der kleinen Welt schon ein Paradies der
hieß es 1909 in der Schrift „Das Spielen der Kinder im Sande“. Die erste amerikanische Sandkiste wurde nach deutschem Vorbild in Boston angelegt.
Die ersten Spielplätze waren Schutzräume, die Kinder vor den Gefahren der industrialisierten Großstadt bewahren sollten. Bis heute sind Spielplätze in erster Linie ein Stadtphänomen. Die Kuratorin der Ausstellung, Gabriela Burkhalter, ist als Kind nie auf Spielplätzen gewesen, weil sie auf dem Land aufwuchs: „Wahrscheinlich hat gerade das mein Interesse geweckt.“
Vor allem zwischen 1950 und 1980 war der Spielplatz ein Experimentierlabor. Pädagogen, Stadtplaner, Landschaftsarchitekten und Künstler brachten sich ein. So erfand der Bildhauer Joseph Brown (1909–1985) die Kletterspinne: Als ehemaligem Profiboxer war es ihm wichtig, dass die Kinder in einem solchen „Zappelnetz“ihr Balancegefühl trainierten. Ein Exportschlager war der „Lozziwurm“des Schweizer Künstlers Iwan Pestalozzi – eine gewundene Röhre, durch die Kinder hindurchklettern konnten. Sie bildet den Mittelpunkt der Ausstellung, in deren Outdoor-Teil man sich selbst ausleben kann.
Sicherheitsaspekte
Mittlerweile war aber auch eine Gegen-Bewegung entstanden: der Abenteuerspielplatz. Hier sollten die Kinder selbst die Designer sein und sich mit Hammer, Nagel und Schaufel ihre eigene Welt gestalten. Der erste deutsche Abenteuerspielplatz entstand 1967 im Märkischen Viertel in West-Berlin, einer Trabantenstadt voller Hochhäuser. Ein „Playworker“aus London leitete die Deutschen an – in England hatte man damals schon 20 Jahre Erfahrung.
In den USA konnte sich das Konzept nie durchsetzen – man befürchtete Unfälle und hohe Schadensersatzforderungen. Auch in Deutschland wird der Sicherheitsaspekt immer wichtiger, die Freiräume schwinden.
Allerdings sieht Burkhalter ein wachsendes Interesse an Spielmöglichkeiten unter freiem Himmel: „Auch unter dem Online-Aspekt – man befürchtet, dass die Kinder nicht mehr rausgehen und sich zu wenig bewegen.“