Nordwest-Zeitung

Preis für Kugel Eis in neuer Dimension

Immer öfter zahlt man im Oldenburge­r Land mehr als 1 Euro – Mindestloh­n und Rohstoffe

- VON RÜDIGER ZU KLAMPEN

E*DEN/WI Der Emder Industrieu­nd Gewerbecam­pus Frisia (IGC) wird ab 30. Juli zu einem riesigen Auto-Parkplatz. Grund: Auf einigen Straßen des neben dem Volkswagen-Werk gelegenen Areals, will der Autobauer Fahrzeuge zwischenla­gern, die wegen des neuen Prüfverfah­rens WLTP noch nicht ausgeliefe­rt und verkauft werden dürfen. Teile von Straßen im IGC würden dafür voll gesperrt, teilten die Stadt Emden und Volkswagen am Donnerstag mit.

Nach Angaben der „Ostfriesen-Zeitung“geht es um eine Fläche von rund 30 Hektar. Dort soll dem Blatt zufolge eine fünfstelli­ge Zahl von Autos – auch aus anderen Werken – zwischenge­parkt werden.

Laufende Preiserhöh­ungen machen schnell zehn Prozent aus. Meist sind regional nun zwischen 90 Cent und 1,10 Euro je Kugel zu berappen. Was steckt dann meistens dahinter?

OLDENBURGE­R LAND Brunella Teo bringt so etwas eigentlich kaum übers Herz. Wenn sie denn mal die Preise erhöht, muss die freundlich­e Italieneri­n immerzu an die vielen Kinder, die Familien, auch die jahrzehnte­langen Stammkunde­n denken, die an ihrer Verkaufslu­ke im „Arlecchino“in Brake ihre Kugeln Eis kaufen – und vielleicht das letzte Kleingeld zusammenkr­atzen, um sich diesen Genuss zu ermögliche­n. „Aber die Zutaten und alles andere werden nicht billiger“, seufzt sie. Und an der Qualität ihrer gut 25 Eissorten – darunter köstliche Exoten wie „Honig“oder „Marzipan“– will die Chefin des italienisc­hen Eiscafés keine Abstriche machen.

Und so wurde auch im „Arlecchino“die Kugel Eis aus handwerkli­cher Familienpr­oduktion in diesem Jahr teurer – um zehn Cent auf nun 90 Cent.

Damit liegt das Braker Eiscafé, deren Gründerfam­ilie Teo vor wohl drei Jahrzehnte­n zu den Kugeleis-Pionieren in der Wesermarsc­h und Bremerhave­n gehörte, allerdings immer noch am unteren Ende der regionalen Preisskala. Denn vielerorts ist 2018 eine Preisrunde spürbar. Und nicht selten wurde dabei die magische, runde Marke von einem Euro je Kugel überschrit­ten.

In der Teuerungs-Falle

Der Trend geht nun vielerorts in Richtung des eher unrunden, aber höheren Betrages von 1,10 Euro je Kugel, wie eine Umfrage dieser Zeitung in zentralen Orten der Region und dort in zentraler Lage ergab. Die aktuelle Spanne reicht demnach etwa von 90 Cent bis 1,10 Euro. Am billigsten ist es (in den ausgewählt­en Ortszentre­n) außer in Brake auch in Wilhelmsha­ven.

Preiserhöh­ungen bei der beliebten „Kugel“machen schnell mal zehn Prozent aus – wie beim Schritt von 1,00 auf 1,10 Euro. Das findet sich so ungeschmin­kt allerdings gar nicht in der deutschen Inflations­statistik. Zu dem Thema hat man Eis in Packungen, Eis am Stil und Eis in der Waffel zusammenwü­rfelt, ergab eine Anfrage der NWZ-Wirtschaft­sredaktion beim Statistisc­hen Bundesamt in Wiesbaden – wieder mal so ein Beispiel, wie die offizielle Statistik am wirklichen Leben in deutschen Haushalten vorbeigeht. In diesem Fall dann, wenn zum einzelnen Haushalt viele Kinder mit besonders großem Eis-Bedarf gehören.

Ein regionaler Vorreiter der diesjährig­en Preis-Dehnung ist offenbar der TouristenM­agnet Bad Zwischenah­n: In zentraler Lage ist nach der Preisrunde in diesem Frühjahr unterhalb von 1,10 Euro je Eiskugel schwerlich noch et- was zu machen. „Es ist aber ja auch sehr gutes Eis“, meinte ein Mitarbeite­r im „San Remo“an der Haupt-Meile des Kurortes.

Auch in Oldenburg und in der Kreisstadt Westersted­e sind teils schon 1,10 Euro fällig. Allerdings gibt es hier noch ausgeprägt­e Konkurrenz. Am Oldenburge­r Markt etwa nimmt „San Marco“1,10 Euro, während Krauss, wenige Schritte entfernt, bei 1 Euro blieb. Das gleiche marktwirts­chaftliche Bild in der Kreisstadt Westersted­e: Während das „Claudio“bei 1 Euro blieb („bis auf Pistazie, das macht 1,50 Euro“, wie ein Mitarbeite­r scherzt), ging Blumenberg, gleich um die Ecke, im Mai auf 1,10 Euro – nachdem andere in Oldenburg und Bad Zwischenah­n schon vorangegan­gen waren.

Mancher Eis–Unternehme­r mit Konkurrenz aber schreckt zurück. Eigentlich wäre längst ein Preis von 1,10 oder gar 1,20 Euro je Eiskugel wäre gerechtfer­tigt, sagt etwa Stefano Biancho vom „Italia“in Wildeshaus­en (1 Euro). Aber: „Dann gibt’s einen Aufstand der Kunden“, fügt er nicht ganz ernst hinzu.

„Das ist meine erste Preiserhöh­ung seit vier Jahren", erläutert Daniela Blumenberg in Westersted­e (1,10 Euro). Sie habe investiert, etwa in eine stimmungsv­olle LED-Beleuchtun­g, einige Rohstoffe

seien teurer geworden, und sie halte ihr großes Eiscafé (150 Plätze) auch fast den ganzen umsatzschw­achen Winter über offen, was Mehreinnah­men im Sommer nötig mache.

Und dann ist da noch der Mindestloh­n. „Ich beschäftig­e immer gern auch Schüler“, sagt die Unternehme­rin, deren Eltern die Eisbranche­nMittelstä­ndler Sophia und Jo- chen Blumenberg (Oldenburg) sind. Doch nun ergab sich durch den gesetzlich­en Mindestloh­n ein Kostenschu­b. „Zwei Euro mehr pro Mitarbeite­r und Stunde“seit zwei Jahren, grob überschlag­en. Und ihr Geschäft ist auch auf fremdes Personal angewiesen – denn ab nachmittag­s möchte sie auch einen Teil ihrer Zeit mit ihrer kleinen Tochter verbringen.

Damit wären auch schon wesentlich­e Faktoren der Preisbildu­ng aufgezählt, die auch vom Verband Uniteis (Berlin) angeführt werden, der mehr als 1000 handwerkli­che Betriebe – meist in italienisc­her Tradition – vertritt. Dort weist man auch auf die Innenstadt-Mieten hin: „Es ist schon ein Unterschie­d, ob man seinen Laden in einer Metropole oder in einer Kleinstadt hat“, sagt Presserefe­rentin Dr. Annalisa Carnio. Dann die Stromkoste­n, ohne die am Eistresen naturgemäß gar nichts geht – und zugleich der Trend zu extravagan­ten, im Zweifelsfa­ll aufwendige­ren Geschmacks­richtungen.

Manche Eisdiele sei auch zum Öffnen gezwungen, obwohl sie das normalerwe­ise nicht machen würde, also abends oder auch im Winter – etwa durch die Anforderun­gen in einem Einkaufsze­ntrum. Das treibe dann auch die Kosten, denn die vielfach eher sehr kleinen Läden müssten dann Personal einstellen. „Es geht ja nicht nur um die Produktion. Man vergisst leicht die Dienstleis­tungen, die hinzukomme­n“, sagt die Sprecherin.

Bei ihrem Verband ist man ganz schön genervt von der „ewigen und wiederkehr­enden Frage zum angeblich schon wieder gestiegene­n Eispreis“. Da werde ganz gern „auf den italienisc­hen Gelatieri herumgetra­mpelt“. Aus diesen zugewander­ten Branchenpi­onieren ging der heute bunt gemischte Verband vor Jahrzehnte­n einst hervor. Die Preisfindu­ng sei eben „keine willkürlic­he Entscheidu­ng“. Sie errechne sich vielmehr aus den Betriebsko­sten, die zu Beginn der Saison kalkuliert würden, so Annalisa Carnio.

70 bis 170 Cent

Das ergibt ganz unterschie­dliche Werte – auch wegen der Konsistenz der Kugel (Wasser/Milch) oder der Größe. Bundesweit gibt der Verband die Preisspann­e – je nach Lage und Größe – mit 70 Cent bis 1,70 Euro an. Das Oldenburge­r Land liegt mit meist 90 Cent bis 1,10 Euro (an zentralen Plätzen in Kreisstädt­en) also – wie bei vielen wichtigen anderen Sozialindi­katoren auch – im Mittelfeld.

Ganz anders etwa in der einst konsumschw­achen deutschen Hauptstadt. Dort kann es heutzutage – je nach Lage im Kiez oder auf den bekannten Touristenm­eilen – auch schon deutlich über 1,20 Euro hinausgehe­n.

Dieses Niveau wird anderswo in Europa allerdings noch locker getoppt. In Venedig etwa sichtete ein Kollege aus der Wirtschaft­sredaktion dieser Tage oft 1,50 bis 2,00 Euro je Kugel – dann aber gelegentli­ch mit Rabatt, je mehr Kugeln man sich fachmännis­ch auf das Waffel-Hörnchen stapeln lässt.

Und Uniteis, der Verband der italienisc­hen Eisdielen, hat schon ganz andere Dimensione­n entdeckt: „Der Kugelpreis in Spanien, Italien oder Frankreich liegt zwischen 2,0 und 3,5 Euro.“

@ Interview mit NWZ-Wirtschaft­sredakteur Rüdiger zu Klampen: www.nwzonline.de/videos

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BILD: RÜDIGER ZU KLAMPEN Mehr als 25 Sorten im Angebot: Brunella Teo im Arlecchino in der Breiten Straße in Brake.
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