Nordwest-Zeitung

Widerstand gegen Rückkehr von Sami A.

Be+örden-Hick+ack um Absc+iebung 7on Osama bin Ladens frü+eren Leibwäc+ter

- VON SIMON KREMER, CLAUS HAFFERT UND JAN LUDWIG

Selten +at ein Fall für so 7iel Streit zwisc+en Be+örden gefü+rt wie der 7on Sami A.: Erst wird er abgesc+oben, dann soll er zurückkomm­en.

TUNIS/DÜSSELDORF/BERLIN Der Fall Sami A. beschäftig­t nicht nur Gerichte und Ministerie­n, sondern auch viele Gemüter. Schließlic­h gilt der ehemalige Leibwächte­r von Osama bin Laden als Gefährder. Seit Monaten bemühten sich Behörden darum, den Tunesier so schnell wie möglich abzuschieb­en. Womöglich waren sie aber zu schnell. Was nun?

Wer ist Sami A. eigentlich

Der 1976 geborene Tunesier kam 1997 zum Studium nach Deutschlan­d. Erst studierte er Textiltech­nik, später Technische Informatik, schließlic­h Elektrotec­hnik. In Bochum meldete er sich 2005 an. Dort lebte er auch zuletzt mit seiner Familie. Seine Frau und seine vier Kinder sind deutsche und zugleich tunesische Staatsange­hörige.

Was wird ihm vorgeworfe­n

Sami A. soll 1999/2000 in einem Al-Kaida-Lager in Afghanista­n eine militärisc­he Ausbildung erhalten und zeitweise zur Leibgarde von Anführer Osama bin Laden gehört haben. Auch nach dessen Tod hielt Sami A. angeblich Kontakt zu salafistis­chen Kreisen. Die Bundesanwa­ltschaft leitete 2006 ein Ermittlung­sverfahren gegen ihn ein L wegen des Verdachts auf Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g. Es wurde 2007 eingestell­t. Sami A. fiel in Deutschlan­d laut Oberverwal­tungsgeric­ht Münster strafrecht­lich nur unerheblic­h auf. Allerdings gehöre „eine unauffälli­ge Lebensführ­ung typischerw­eise zum Erscheinun­gsbild eines ,SchläfersM“.

Was genau lief bei seiner Abschiebun­g schief

Das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf), das dem Bundesinne­nministeri­um untersteht, ordnete am 20. Juni an, die Abschiebun­g sofort zu vollziehen. Zuständig war die Ausländerb­ehörde in Bochum. Während die Vorbereitu­ng lief, wurden am Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen drei Klagen von Sami A. verhandelt. Das Gericht wies die Behörden ausdrückli­ch darauf hin, dass Sami A. nicht abzuschieb­en sei, solange kein Urteil gefällt ist. Als dieses dann am Freitagmor­gen an die Beteiligte­n verschickt wurde, war Sami A. aber schon nicht mehr in Deutschlan­d.

Welche Rolle spielte der Bundesinne­nminister

Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) hatte vehement für eine Abschiebun­g plädiert. Er sei „entschloss­en, da weiter dran zu bleiben“, sagte er zum Beispiel Anfang Mai. Das Bundesinne­nministeri­um unterstütz­te jetzt nach eigenen Angaben die NRWBehörde­n bei dieser Abschiebun­g. Seehofer sei aber erst nach Nbergabe von Sami A. an die tunesische­n Behörden informiert worden.

Was sagt das Flüchtling­sministeri­um in NRW

Das Ministeriu­m verteidigt sich damit, dass das Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen die Abschiebun­gsandrohun­g noch am 11. Juli für rechtens erklärt habe. In einer solchen Androhung wird Betroffene­n mitgeteilt, dass sie binnen kurzer Zeit das Land verlassen müssen. Daraufhin sei die Abschiebun­g eingeleite­t worden. „Ein anderslaut­ender Beschluss lag dem Ministeriu­m zu diesem Zeitpunkt nicht vor“, heißt es.

Wie begründet das Gericht seine Entscheidu­ng

Für das Verwaltung­sgericht ist nicht entscheide­nd, ob Sami A. früher einen Top-Terroriste­n schützte oder heute als Gefährder eingestuft wird. Ihm drohe in Tunesien eine beachtlich­e Gefahr, etwa Folter. Das schließe rechtlich eine Abschiebun­g aus. Dass die Behörden Sami A. dennoch abschoben, sei daher „grob rechtswidr­ig“.

Wird Tunesien Sami A. wieder zurückschi­cken

Damit ist vorerst nicht zu rechnen. Die tunesische­n Behörden berufen sich auf die Souveränit­ät ihrer Justiz und wollen in dem Fall erst einmal selbst ermitteln.

Wie geht es jetzt weiter im Fall Sami A.

Die tunesische­n Behörden ermitteln. Sie können Sami A. maximal 15 Tage festhalten, ohne ihn einem Richter vorzuführe­n. Das NRW-Flüchtling­sministeri­um und die Ausländerb­ehörde in Bochum wollen gegen die Entscheidu­ng des Verwaltung­sgerichts Beschwerde einlegen.

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