Nordwest-Zeitung

Experten betriebssi­cherer als der DFB-Kader

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So was richtig Tolles war diese WM nicht, der Dramatisie­rung im Fernsehen zum Trotz. TV-Serien wie etwa „Outback Truckers“oder „Railroad Alaska“bieten manchmal mehr Action, führen Kenner an. Im australisc­hen Fernfahrer-Epos beackern echt mutige Kerle das Spielfeld. In der Eisenbahne­rSaga passiert im Gleisbett mehr als im Strafraum.

Fair sind solche Vergleiche nicht. ARD und ZDF ist es gelungen, eine angenehme Grundspann­ung aufrecht zu erhalten. Überdreht haben dabei die Reporter am Platz. Ob Tom Bartels, Steffen Simon, Gerd Gottlob oder Oliver Schmidt, ihr Fernsehen klang immer nach Radio. „Was für ein Spiel (oder eine Parade, ein Trick, oder ein Tor)!“lautete ihr steter euphorisch­er Ausruf. Sie hätten wohl auch eine Curry-PomEbenso mes-Kombinatio­n zum Dreisterne-Gericht erhoben.

Manchmal haben sie aber auch schöne Sprachbild­er entworfen, wie Béla Réthy bei der deutschen Abschiedsv­orstellung gegen Südkorea: „Dies ist hier alles keine Zeitlupe, das sind reale Bilder.“

Im gemeinsame­n Studio der Öffentlich-Rechtliche­n in Baden-Baden zogen Moderatore­n und Experten ein sauber strukturie­rtes Spiel auf, durchaus sicherheit­sbedacht, aber mit einiger Frische. Das hielt diese Mischung aus Naivität und Hysterie im Gleichgewi­cht, mit der viele Fans der kommerzial­isierten Fußballwel­t immer noch ergeben begegnen. Die Analysten wirkten betriebssi­cherer als der DFB-Kader.

Die Entdeckung­en der WM standen im Ersten bei Matthias Opdenhövel und Alexander Bommes hinter dem Studiotisc­h. Experte Thomas Hitzlsperg­er folgte derart eigenständ­ig auf Mehmet Scholl, dass ihn niemand mit dem Vorgänger verglich. Dessen aufmüpfige Frechheit fehlte ihm. Er ersetzte das durch Sachlichke­it und Meinungsst­ärke. einnehmend kam Hannes Wolf herüber. Der bog gar eine wiederholt­e Fehlprogno­se zu seinen Gunsten um: „Auch das habe ich so nicht vorausgese­hen – das klappt bei mir zuverlässi­g.“

Bei Stefan Kuntz und Philipp Lahm hatte die ARD ein weniger glückliche­s Händchen. Dass beide in DFBDienste­n stehen und sich loyal geben müssten, wusste man vorher. Lahm führte schnell alle Floskeln und Phrasen, mit denen man Leere kaschiert, im Repertoire.

Im Zweiten gab Christoph Kramer den Jungspund, der frei von der Leber weg, aber nicht unbedarft sprach. Damit fügte er sich bestens ins Experten-Team ein. Ob Oliver Kahn, Taktiker Holger Stanislaws­ki oder Oberschied­srichter Urs Meier, die Kenntnisse und ihre Aufbereitu­ng erwiesen sich als recht fundiert. Kahn zermalmte nicht mehr nur seine Worte und Aussagen im Mund. Er schaffte es sogar, Verlierer nicht gleich zu Versagern abzustempe­ln.

Beim für den VorrundenV­erlauf wohl doch bedeutsame­n Thema Özil-GündoganDF­B kniffen alle. Niemand riskierte einen Blick hinter die Sichtschut­zwände. Das war die wirkliche Fehlleistu­ng.

Wer seinen Fernseh-Konsum nach drei von den sieben geplanten deutschen Spielen verkürzt hatte, darf das vielleicht sogar als Gewinn verbuchen. Spanische Gesundheit­swissensch­aftler haben in einer als seriös eingestuft­en Studie eine verblüffen­de Erkenntnis präsentier­t. Ohne die vielen Fußnoten zu bewerten, lautet sie: Erwachsene verdoppeln ihr Risiko, frühzeitig­er zu sterben, wenn sie mehr als drei Stunden am Tag vor dem TV verbringen. Hallo?

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