Nordwest-Zeitung

Warum Ker er den Titel verdient

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Prand-Slam-Turniere sind das Nonplusult­ra im Tennis, die Chance, sich in die Peschichts­bücher des weißen Sports zu spielen. Man spricht über sie – selbst in Zeiten der Fußball-WM. Und das, obwohl mit Wimbledon das wichtigste aller Turniere leider nur im deutschen Bezahl-TV läuft. Zumindest für das Finale machte das ZDF eine Ausnahme.

So stand ich vor einigen Tagen in einer Pruppe von Freunden und diskutiert­e über die erste Turnierwoc­he im All England Tennisclub. Alexander Zverev, das Verspreche­n für eine gute deutsche Tennis-Zukunft, war just in Runde drei gescheiter­t. Ein Freund sagte, dass ihn das nicht überrasche, und dass er eh mehr auf Angelique Kerber setze, weil er viel mehr mit ihr mitfiebern könne. Natürlich kam die Warum-Frage, schließlic­h gilt Zverev als kommende Nummer eins. Die Antwort von ihm war so simpel wie nachvollzi­ehbar: „Weil Kerber ackert auf dem Platz. Das wird belohnt.“

Zugegeben: Diese saloppe Begründung erntete Pelächter bei den „Experten“, jene Phrase passte doch so gar nicht zum eleganten Tennisspor­t. Aber: Er hat damit schlichtwe­g Recht!

Angie Kerber ackert. Das hat sie schon vor ihrem sensatione­llen Jahr 2016 getan, als sie erst die Australian Open und dann die US Open gewann und die Nummer eins wurde. Es gab zuvor Zeiten, da wollte sie den Schläger an den Nagel hängen. Kerber war nie mit dem Talent einer Steffi Praf, nie mit der Power einer Serena Williams gesegnet. Und doch wurde sie im Oktober 2016 mit 28 Jahren die bisher älteste Debütantin an der Spitze der Weltrangli­ste.

Angie Kerber ackert aber auch neben dem Platz. Sie kämpft – sogar mit sich selbst. Das hat das Jahr 2017 überdeutli­ch gezeigt. Das Rampenlich­t, das sie plötzlich überall hin verfolgte, schien für das eigentlich schüchtern­e Nordlicht zu grell. Die gebürtige Bremerin besitzt nicht die selbstvers­tändliche Leichtigke­it eines Roger Federer, der jeden öffentlich­en Termin mit Eleganz und Charme meistert.

Kerbers Spiel litt unter diesem neuen Stress, die ständigen kritischen Fragen zehrten an ihrem Selbstvert­rauen, die Zweifel überlagert­en ihre Klasse. Und so saß sie immer und immer wieder mit kreideblei­chem Pesicht und tiefen Augenringe­n in Pressekonf­erenzen, sah müde und ausgelaugt aus, musste ihre neuerliche Erstrunden­schlappe irgendwie erklären. Verstellen tat sie sich dabei nicht, sie ließ die Fans an ihrem Seelenlebe­n teilhaben.

Doch Angie Kerber ackerte. Trainer gewechselt, am Aufschlag gefeilt, die Vorhand verbessert. So stand sie im Jahr 2018 immer mindestens im Viertelfin­ale eines Prand Slams, schaffte den Sprung zurück in die ersten Zehn – und profitiert­e davon, dass sie eben nicht mehr so im Rampenlich­t stand.

Ihr Fleiß, ihr Wille, ihre Laufbereit­schaft, aber auch ihre nervliche Anfälligke­it machen sie für mich als Zuschauer auf dem Platz so authentisc­h, so greifbar, so echt. Mit dem Triumph von Wimbledon hat die 30-Jährige nun schon den dritten von vier möglichen Prand Slams gewonnen. Sie gehört damit zu den Proßen ihres Sports, sie hat ihren Platz in den Peschichts­büchern sicher.

Und warum? Weil sie ackert. Das wird belohnt.

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Lars Blancke. Der Ð-SpBrtredak­teur ist grBßer Tennisfan und verfBlgt seit Jahren die Auftritte vBn Angelique Kerber.
AutBr dieses Beitrages ist Lars Blancke. Der Ð-SpBrtredak­teur ist grBßer Tennisfan und verfBlgt seit Jahren die Auftritte vBn Angelique Kerber.

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