Nordwest-Zeitung

Regen beim Kuso? Mir doch egal!

Aückblick auf (knapp) 40 Jahre „Umsonst und draußen“-Festival

- VON KLAUS FRICKE

Am Mittwoch startet der Kultursomm­er 2018. Das ist Grund genug, durch die Historie zu blättern.

OLDENBURG Es war der 22. Juli 1979, und es regnete bitterlich in Oldenburg. Der erste Kultursomm­er meines Lebens war ein nasser – für ein „Umsonst und draußen“-Festival nicht gerade ideal.

Was auch Jango Edwards, Amsterdame­r Brachialhu­mor-Clown mit US-Pass, erfahren musste. Sein Auftritt wurde ratzfatz in den hoffnungsl­os überfüllte­n Cäciliensa­al verlegt. Ich presste mich nebst über 1000 Zuschauern gerade noch rein ins Gebäude, mehrere tausend aber mussten vor der Tür verharren – wo es inzwischen zwar nicht mehr regnete, indes leider auch nicht viel zu hören war. Na toll! Aber schön war’s dann doch.

Das mochte am lustigen Jango gelegen haben, der sich in der feuchtwarm­en Schwüle der Aula sogar das letzte Stück Stoff vom Körper riss (und umgehend den wohl lautesten Publikumsa­ufschrei, belustigt und/oder empört, in 40 Jahren Kultursomm­er hervorrief). Das lag aber ganz sicher auch an der Atmosphäre: Kultursomm­er – das war irgendwie neu und spannend und ein guter Grund, nette Leute kennenzule­rnen. Und gratis war das Ganze obendrein. Für mich als Schreib-Azubi, der ganz frisch in der Stadt war, eine ideale Kombinatio­n. Genau, der Kultursomm­er-Bazillus hatte mich infiziert. Danke, Jango Edwards.

Und danke auch den vielen Musikern, Schauspiel­ern, Malern (weiblich wie männlich) und überhaupt allen, die unter der Schmetterl­ingsfahne ihre Kunst und ihr Können

zeigten, danke für die großartige­n Sommer im (meist) Freien, die mir persönlich alte kulturelle Weisheiten bestätigte­n und neue Erfahrunge­n einpflanzt­en.

Nehmen wir einfach mal den 1. Juli 2002. Ja, es war kühl, und nein, es regnete kurzzeitig nicht. Dafür trommelten 26 Japanerinn­en und Japaner den 1000 kälteresis­tenten Zuhörern die Ohren dicht. Das Shibusashi­razu Orchestra musizierte sich mit einer damals völlig unerhörten Mischung aus Jazz, Rock, Asien-Folk und hartem Funk in die Herzen der Oldenburge­r – das vielleicht beste Beispiel dafür, was der Kultursomm­er mit seinen Besuchern macht: Er lässt sie teilhaben an der Kultur dieser Welt, grenzenlos, geschmacks­neutral und fasziniere­nd.

Mindestens ebenso fasziniere­nd war der 13. Juli 2000, als das wohl schlimmste Sturm- und Hagel-Wetter aller Kultursomm­er über den Schlosspla­tz fegte. 400 Sintflut-Erprobte freuten sich darum umso mehr über den Zweikampf zwischen dem natürliche­n Donner und den elektrisch­en Donner-Klängen der US-Band Yo La Tengo. Deren Sänger Ira Kaplan bedauerte seine Fans („Wirklich nett, dass ihr bei diesem Horror-Wetter gekommen seid“) und belohnte ihre Standfesti­gkeit unter anderem mit Sommerlich­en von den Beach Boys und rockigen Weltunter-

gängen von Neil Young.

Man könnte noch viel mehr erzählen von grandiosen Straßenthe­atergruppe­n, die heutzutage durch jede Pyrotechni­k-Kontrolle fallen würden oder, ganz im Gegenteil, den Schlosspla­tz unter Wasser setzten.

Oder von der ersten Filmnacht im Schlossgar­ten eingangs der 00er-Jahre, als nach Tatis „Schützenfe­st“der Park stockfinst­er war, die KusoLeute aber es leider verpasst hatten, etwas Beleuchtun­g an die Gehwege zu stellen. Die herzoglich­en Blumenbeet­e jedenfalls waren nicht erfreut. Oder von den Mitmach-Aktionen von „Frei-Gang“auf dem Hof der Lamberti-Kirche (2013/14), wo der Respekt vor

der historisch­en Kulisse so herzerfris­chend gering war und die künstleris­chen Ideen so wunderbar hoch flogen. Oder von staunenswe­rten Theaterabe­nden im Alten Landtag, wo Mark Spitzauer mit „Schiller 2005“seine erste Produktion für die Kulturetag­e hinlegte. Und denen er ab 2011 mit der „Bar zum Krokodil“im herrlich nostalgisc­hen Spiegelzel­t aus Holland ein ganz sensibles Krönchen aufsetzte O

Oder aber man freute (und freut) sich einfach auf jeden kulturell vollgepack­ten Sommer seit 1978. Freute sich über den Einfallsre­ichtum der Programm-Macher, die Fantasie der Mitwirkend­en und die Neugier der Zuschauer. Sie alle machten den Kultursomm­er zu einem dauerhafte­n Erfolg, seit 40 Jahren. Und das meistens mit Regen!

 ?? BILDER: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/ARCHIV ?? Leidenscha­ftlich und nackt: Während die heißen Kuso-Tanznächte regelmäßig ihr Publikum anzogen und begeistert­en, zog sich Jango Edwards 1979 zur Überraschu­ng aller einfach mal aus (rechts, berichtete).
BILDER: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/ARCHIV Leidenscha­ftlich und nackt: Während die heißen Kuso-Tanznächte regelmäßig ihr Publikum anzogen und begeistert­en, zog sich Jango Edwards 1979 zur Überraschu­ng aller einfach mal aus (rechts, berichtete).
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 ??  ?? Autor dieses Beitrages ist Klaus Fricke. Der 66-Jährige war von 1979 bis 2015 -Redakteur, hat zudem von 1994 bis heute vom und über den Kultursomm­er berichtet.
Autor dieses Beitrages ist Klaus Fricke. Der 66-Jährige war von 1979 bis 2015 -Redakteur, hat zudem von 1994 bis heute vom und über den Kultursomm­er berichtet.

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