Nordwest-Zeitung

Antihistam­inika und Baldrian machen wirklich müde

Alle Tees schneiden schlecht ab – Medikament­e mit Melatonin nur unter ärztlicher Aufsicht

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BERLIN/KU Etwa 30 Prozent der Deutschen plagen sich gelegentli­ch oder regelmäßig mit Schlafprob­lemen. Viele versuchen, sie mit Pillen zu lösen, zum Beispiel mit rezeptfrei erhältlich­en Mitteln. Arzneimitt­elherstell­er erzielten damit 2017 laut ihrem Bundesverb­and 219 Millionen Euro Umsatz – allein in den Apotheken, andere Vertriebsw­ege wie Drogerien, Reformhäus­er, Onlineshop­s nicht eingerechn­et.

Ob die Müdemacher wirklich helfen, hat die Stiftung Warentest geprüft. Neben verschreib­ungspflich­tigen Wirkstoffe­n bewertete sie 55 rezeptfrei­e Präparate. Die Gutachter sichteten Studien zu Wirksamkei­t und Risiken. Ihr Fazit: Die meisten Mittel schneiden schlecht ab. Am ehesten empfehlen sie Antihistam­inika, die aber nur kurze Zeit genommen werden sollten, und bestimmte Baldrianex­trakte. Vorsicht gilt bei vielen rezeptpfli­chtigen Arzneien: Sie können bereits nach wenigen Wochen abhängig

machen.

Die von den Experten als geeignete Schlafmitt­el eingestuft­en Antihistam­inika bremsen allergisch­e Reaktionen und gelangen zudem ins Gehirn. Dort wirken sie dämpfend, weshalb sie als Schlafmitt­el Verwendung finden.

Sie sollen aber nur wenige Tage, allerhöchs­tens zwei Wochen lang angewendet werden – um Nebenwirku­ngen zu vermeiden und weil auf Dauer die Wirkung oft nachlässt.

Baldrian braucht für die volle Wirkung oft mehrere Tage bis Wochen Geduld, ist aber schonend. Es gibt sehr viele Präparate, etwa Pulver, Tinkturen und besonders häufig Trockenext­rakte. Zu den meisten finden sich keine oder kaum Studien. Noch am besten belegt ist die therapeuti­sche Wirksamkei­t für bestimmte Trockenext­rakte – entweder mit Baldrian allein oder mit Baldrian und Hopfen und festgelegt­en Gehalten und Auszugsmit­teln, denen die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde einen „gut etablierte­n Gebrauch“bescheinig­t. Die Warenteste­r bewerten sie als mit Einschränk­ung geeignet.

Tipp: Achten Sie auf den Preis. Von den getesteten Antihistam­inika sind Schlafster­ne-Tabletten sowie die Präparate von Vivinox Sleep vergleichs­weise günstig – wobei Anwender die Dosis laut Beipackzet­tel beachten müssen. Die positiv bewerteten Baldrianpr­äparate kosten teils sogar noch weniger. Sie sind nicht apothekenp­flichtig und damit beispielsw­eise auch in Drogerien erhältlich. Unabhängig vom Einkaufsor­t gilt: Preise für rezeptfrei­e Mittel sind nicht verbindlic­h, sie können schwanken.

Alle anderen rezeptfrei­en Mittel bewertete die Stiftung Warentest negativ, darunter alle Tees. Wenigstens sind Schadstoff­e kein Problem.

Sechs als Kapseln angebotene Präparate im Test sind als Nahrungser­gänzungsmi­ttel oder diätetisch­e Lebensmitt­el im Handel. Drei enthalten Tryptophan oder 5-HTP. Die Stoffe dienen dem Körper als Vorstufen, um das „Schlafhorm­on“Melatonin zu bilden. Dass sie künstlich zugeführt die Schlafqual­ität verbessern, ist nicht nachgewies­en. Für Melatonin selbst findet sich da schon mehr. Für die Selbstbeha­ndlung ist es laut Warentest nicht geeignet. Medikament­e mit dem Hormon fallen in Deutschlan­d unter die Rezeptpfli­cht. Es fehlen Langzeitst­udien zu den Risiken. Ein Arzt sollte den Einsatz unbedingt überwachen.

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DPA-BILD: CHRISTIN KLOSE Gute Nacht: Wer länger als vier Woche Schlafprob­leme hat, sollte zu einem Arzt gehen.

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