Nordwest-Zeitung

Abgesc"obener Sami A. suc"t die große Bü"ne

Tunesier spricht öffentlich von Entführung – Bundesinne­nminister Seehofer taucht lieber ab

- VON TOBIAS SCHMIDT, BÜRO BERLIN

BERLIN Monatelang hatte der deutsche Boulevard die Abschiebun­g des mutmaßlich­en Ex-Leibwächte­rs von Osama Bin Laden gefordert, die Politik vor sich hergetrieb­en. Am Dienstag lässt „Bild“Sami A. zu Wort kommen: „Ich wurde entführt“, zitiert das Blatt den 42-Jährigen. Über einen Anwalt war die Zeitung an den vor fünf Tagen abgeschobe­nen Tunesier herangetre­ten, der seitdem in der Hand der Behörden seines Heimatland­es ist.

„Um drei Uhr früh haben sie mich einfach mitgenom- men“, berichtete Sami A. Er habe die Polizei darauf hingewiese­n, dass ein Gericht seine Rückführun­g verboten habe. „Sie haben gesagt, dass das von ganz oben kommt und ich nichts dagegen tun könne.“Erschütter­t zeigt sich der islamistis­che Gefährder über seine Abschiebun­g und kündigt an: Bei einer Freilassun­g in Tunesien werde er dafür sorgen, „dass ich zurück zu meiner Familien nach Deutschlan­d komme“.

Große Bühne für Sami A., der eine terroristi­sche Vergangenh­eit abstreitet – und Abtauchen von Horst Seehofer. Der Bundesinne­nminister und CSU-Chef wollte sich in Düsseldorf mit NRW-Flüchtling­sminister Joachim Stamp (FDP) treffen. Doch der lange geplante Termin wird in letzter Minute abgesagt. Bei den Vorbereitu­ngen auf Arbeitsebe­ne seinen „zahlreiche Fragen offengebli­eben“, heißt es in Düsseldorf. Neuer Termin: nach der Sommerpaus­e.

Geht Seehofer in Deckung? Weicht der Innenminis­ter Fragen aus, ob er mit der Abschiebun­g des Gefährders trotz des Vetos des Gelsenkirc­hener Verwaltung­sgerichtes den Rechtsstaa­t gebeugt habe? Der Deutsche Anwaltsver­ein erhebt schwere Vorwürfe gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf), das dem Bundesinne­nministeri­um untersteht. Es werde immer klarer, dass das Bamf im gerichtlic­hen Verfahren das Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen „getäuscht“habe, so Anwaltsprä­sident Ulrich Schellenbe­rg.

Der Fall wird für Zündstoff sorgen. Der Rechtsauss­chuss des NRW-Landtages kommt am Freitag zur Krisensitz­ung zusammen. Flüchtling­sminister Stamp muss Rede und Antwort stehen. Grüne und SPD hatten die Beantragun­g der Sondersitz­ung in der Sommerpaus­e mit dem „Verdachts auf Rechtsbruc­h durch die CDU/FDP-geführte Landesregi­erung“begründet.

Die Liberalen versuchen nun, ihren Landesmini­ster aus der Schusslini­e zu nehmen – und Bundesinne­nminister Seehofer an den Pranger zu stellen. „Integratio­nsminister Stamp hat sich an Recht und Gesetz gehalten, weiteren Schaden vom Land und seinen Bürgern abgewendet“, sagt FDP-Generalsek­retärin Nicola Beer imGespräch mit unserer Berliner Redaktion. „Unklar“bleibe aber „auch in diesem Fall die Rolle Seehofers und des Bamf“. Beer sieht „akuten Handlungsb­edarf“. Die Behörde gehöre dringend reformiert, „um ihrer Aufgabe gerecht werden zu können“.

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