Nordwest-Zeitung

Harte Bandagen und eine Prise Hass: Die CDU zerlegt sich

- VON ALEXANDER WILL

In CDU und CSU gärt es. Und es kracht. Kräftig. Jüngstes Symptom: Es gründet sich eine Sammlungsb­ewegung – und zwar innerhalb der Partei. Die „Union der Mitte“will den Kurs Angela Merkels stützen, grenzt sich scharf von Horst Seehofer ab – und kritisiert heftig den Morgenluft witternden konservati­ven Flügel. Der hat sich ebenfalls in internen Grüppchen organisier­t. „Werteunion“, „Konservati­ver Aufbruch“oder „Berliner Kreis“fordern eine Korrektur insbesonde­re der Einwanderu­ngspolitik, aber auch die Rehabiliti­erung konservati­ver politische­r Positionen, die Merkel einst bis auf wenige Rückstände gründlich entsorgte.

Es ist ein einmaliger Vorgang, dass eine innerparte­iliche Bewegung sich zusammenfi­ndet, um eine Parteivors­itzende, eine Kanzlerin gegen Kritik aus eben jener Partei in Schutz zu nehmen. Da stellt sich die Frage, wie fest diese Parteichef­in noch im Sattel sitzt. Die Sammlung der Merkel-Bataillone offenbart Schwäche.

Bemerkensw­ert ist die Härte der Auseinande­rsetzung. Mit dabei bei dieser „Union der Mitte“ist Ex-Generalsek­retär Ruprecht Pohlenz. Der verdammt öffentlich „schrille Stimmen sich konservati­v nennender Zirkel“– gemeint sind natürlich „Werteunion“und Co. – und rückt sie in die Nähe des „politische­n Extremismu­s“. Der Bundestags­abgeordnet­e Matthias Zimmer setzt noch einen drauf: „Wenn sich die Rechten in der CDU zusammensc­hließen, dann auch die Anständige­n“, schreibt er auf Twitter. Das führt zu Protesten konservati­ver CDU-Mitglieder, die sich als „unanständi­g“diffamiert sehen. So ist das wohl auch gemeint.

Die extreme Polarisier­ung markiert das Scheitern der Parteichef­in, hat sie es doch nicht vermocht, diese innerparte­iliche Explosion zu verhindern. Die Union dümpelt in einigen Umfragen inzwischen bei unter 30 Prozent. Da dürfte der parteiinte­rne Bürgerkrie­g nicht eben hilfreich sein.

Auch für das deutsche Parteiensy­stem insgesamt lässt sich eine Erkenntnis gewinnen: Die Zeit der Volksparte­ien ist vorbei. Die SPD hat sich bereits ins 20-Prozent-Dörfchen verabschie­det. Die Union könnte sich nun zerlegen, denn es fragt sich ernsthaft, was eigentlich – außer Machterhal­t und Pfründen – diese Partei noch zusammenhä­lt. Gemeinsame Qberzeugun­gen jedenfalls immer weniger. @ Den Autor erreichen Sie unter Will@infoautor.de

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