Aus dem Urlaub zum Krisengipfel
Bundestrainer Löw analysiert in Frankfurt das WM-Desaster
FRANKFURT Joachim Löw blickte kurz auf sein Handy, dann schlenderte er mit dem Anlass angemessener, ernster Miene in die Frankfurter DFBZentrale. Am Mittwochmittag und damit deutlich früher als erwartet kam der Bundestrainer nach einem Kurzurlaub in Italien mit seinem Stab und Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff zur zweitägigen WM-Klausur zusammen. Wichtigstes Gesprächsthema: Die weitere, eingehende Analyse des historischen WM-Desasters von Russland.
„Die sportliche Leitung hat sich getroffen, um ihre Abstimmung und Besprechungen mit Schwerpunkt WMAnalyse fortzusetzen“, sagte Nationalmannschaftssprecher Jens Grittner, der Löw an der Otto-Fleck-Schneise 6 in Empfang nahm. Das Treffen, an dem auch Löws Assistenten Thomas Schneider und Marcus Sorg teilnahmen, sei „nicht das erste“im Zuge der Aufarbeitung, „und es wird auch nicht das letzte sein“.
An Themen mangelt es nicht. Nicht nur zur brisanten Causa um den zum ErdoganFall schweigenden Mesut Özil muss Löw Antworten finden. „Gravierende Veränderungen“im viel kritisierten Nationalmannschafts-Orbit hatte DFB-Präsident Reinhard Grindel nach dem blamablen
Vorrunden-Aus bei der WM angemahnt.
An der Abgabefrist des Berichts zum Tag des Bundesliga-Auftakts in München am 24. August ändere sich nichts, hieß es vom DFB. Zwei Wochen später startet die Nationalelf am 6. September in München gegen den neuen Weltmeister Frankreich in der Nationenliga in die nächste Länderspielsaison.
Der DFB versucht seiner WM-Krise derweil weiter mit ungewöhnlichen Mitteln Herr zu werden. Nach den missbilligenden Äußerungen des sächsischen Fußballverbandschefs Hermann Winkler zur Vertragsverlängerung von Löw kurz vor der WM bekamen dessen Kollegen aus den weiteren Landesverbänden freundlich, aber bestimmt einen Maulkorb verpasst. Der DFB habe darum gebeten, vor einer turnusgemäßen Zusammenkunft der Landeschefs an diesem Donnerstag von Stellungnahmen abzusehen, hieß es am Mittwoch von mehreren Funktionären.