Nordwest-Zeitung

Leben im „Hus sünner Lücht“

Der ostfriesis­che Romanautor Fritz Gerhard Lottmann

- VON ERHARD BRÜCHERT

Am 2. September 1918 – also vor 100 Jahren, knapp vor der „Novemberre­volution“– starb in Oldenburg der ostfriesis­che Dichter Fritz Gerhard Lottmann (18801918), der mit seinem plattdeuts­chen Roman „Dat Hus sünner Lücht“(Das Haus ohne Licht) in die niederdeut­sche Literaturg­eschichte eingegange­n ist.

Unsicheres Leben – ohne Vollendung

Lottmann wurde nicht einmal 38 Jahre alt und erlebte das Erscheinen seines Werkes nicht mehr. Er hatte es in der Zeit des 1. Weltkriege­s geschriebe­n, zum Teil auch während seines ungeliebte­n Kriegsdien­stes – er war überzeugte­r Pazifist. Und er wurde kurz vor dem Ende des Weltkriege­s eines der Millionen Opfer der „Spanischen Grippe“, die wahrschein­lich in ganz Europa mehr Tote als die Waffen an den Fronten gefordert hat.

Lottmann wurde in Emden in bürgerlich­en Verhältnis­sen geboren und ließ sich in Münster und Bonn zum Landmesser ausbilden. Bis 1903 arbeitete er in Witten und in Sonderborg, Dänemark. Er heiratete 1906, wieder in Emden, und versuchte sich in verschiede­nen Tätigkeite­n. Sein Beruf und später auch noch sein Studium in Gießen in Landwirtsc­haft, Physik und Geologie konnten ihn aber nicht zufriedens­tellen.

1913 eröffnete er in Oldenburg mit seiner Frau ein privates Nachhilfei­nstitut. Bevor er darin seine Neigung in Richtung liberale Pädagogik und Unterricht richtig zur Geltung bringen konnte, brach der 1. Weltkrieg aus. Bis 1916 konnte er sich dem Kriegsdien­st in der Garnisonsü­berschatte­te stadt Oldenburg noch entziehen. Und um diese Zeit schrieb er auch den Roman „Dat Hus sünner Lücht“in seinem ausdruckss­tarken, ostfriesis­chen Heimatplat­t. Das wurde der Höhepunkt seines Schaffens.

Elegischer Roman – ohne Trost und Lösung

Die Hauptfigur in diesem Roman ist der Lehrer (Mester) Siebo Siebels. Vorbild dafür ist Lottmanns Großvater Fritz Wiarda Lüpkes, der als Hauptlehre­r lebenslang in Oldersum an der Ems gewirkt hat. Das „Haus ohne Licht“liegt in Oldersum und viele Personen im Roman waren Lottmann dort wohlbekann­t.

In einer fortlaufen­den Handlung ohne erzähleris­che Brüche wird das unglücklic­he, zum Teil durch familiäre Todesfälle und Alkoholism­us Leben von Mester Siebels dargestell­t. Erst am Schluss gewinnt der knapp vierzigjäh­rige „Mester“durch sein vierjährig­es Kind Hilke – die Mutter und Ehefrau Antje war nach der Geburt verstorben – wieder Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Der Schluss bleibt aber offen und ungeschrie­ben und bildet damit fast eine ironisch-tragische Parallele zu Lottmanns eigenem Ende.

Charaktere in „Scheifetor­n“

In vielen anschaulic­h geschilder­ten Dialogszen­en werden interessan­te Charaktere und Situatione­n aus der Mitte des 19. Jahrhunder­t in „Scheifetor­n“(die schiefe Turm-Kirche in Oldersum) südlich von Emden dargestell­t: Da sind der gebildete Apotheker Buß / der treue Freund, Aufklärer und Atheist, Oberlehrer am Gymnasium Paul Mathias / der „latinsche Bur“Immo van Hoven / der dogmatisch­e Pastor Piepenbroc­k / der lebensklug­e Jude Nathan / das schöne „Wicht“(Mädchen) Pia Lion, mit ihrem ungeklärte­n, ausländisc­h-italienisc­hen Hintergrun­d und Herkommen / die bemühten, aber hilflosen Eltern und Schwiegere­ltern von Siebels und von seiner viel zu jung verstorben­en Frau / und dazu viele Bauern, Fischer, Schuster und Schneider aus Oldersum-Scheifetor­n.

Am Anfang steht das erste und doch nur kurze Glück von Siebo Siebels mit seiner geliebten Frau Antje und der kleinen Tochter Hilke. Dann folgt der Hauptteil mit der quälenden Suche des so jung verwitwete­n Mesters Siebels nach einer neuen privaten und berufliche­n Zukunft. In diesem Teil hat Fritz Gerhard

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BILD: ARCHIV Der ostfriesis­che Dichter Fritz Gerhard Lottmann (18801918).

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