Einreise mit Rückfahrt-Garantie
Wie die Franzosen mit Flüchtlingen an der Grenze Katz und Maus spielen
Die
Riviera zieht an. In diesen Hochsommertagen reisen viele deutsche und britische Touristen an den französisch-italienischen Küstenabschnitt, um die Ferien am Mittelmeer zu verbringen. Zweifellos zählen Côte d’Azur und Riviera di Ponente zu den Sehnsuchtsorten der Urlauber aus dem Norden, wo man sich tagsüber im Wasser erfrischen und abends über die Promenade schlendern kann und zahllose Restaurants mit allerlei Meeresgetier und Pasta auf der Speisekarte locken.
Die Riviera zieht an – auch die Menschen, die ihren Sehnsuchtsort völlig anders definieren. Die italienische Grenzstadt Ventimiglia war früher das Ziel zahlloser Flüchtlinge, die weiter nach Frankreich und andere nördliche Länder wollten – bis Paris deren Einreise imJahr 2015 stoppte. Seither gehen französische Grenzschützer gegen den illegalen Übertritt vor.
Für Einheimische wie Urlauber bietet sich am Bahnhof im benachbarten französischen Menton ein Bild des Jammers. Hatten es die Flüchtlinge zuvor geschafft, in Ventimiglia in den Zug der SNCF einzusteigen – auch weil die italienische Polizei es geschehen ließ –, ist nun nach fünf Minuten Reisezeit am Gare De Menton Endstation.
1993, lange vor dem Dublin-Übereinkommen, haben Frankreich und Italien ein bilaterales Abkommen abgeschlossen. Es sieht den Aus-
tausch von Informationen vor und die Koordinierung gemeinsamer Maßnahmen. Die Grenzschützer dürfen außerdem seit dem Jahr 2002, als das Abkommen erweitert wurde, in Uniform und mit Waffen auf der jeweils anderen Seite patrouillieren.
Vor dem Hintergrund der Migrationskrise kommt es an der Grenze zu Frankreich immer wieder zu Spannungen. Im Jahr 2015 hatte es offenen Streit zwischen den beiden Ländern gegeben, als zeitweise Hunderte Flüchtlinge an der Grenze bei Ventimiglia ausharrten und Italien mehr Solidarität von Frankreich forderte. Im Winter versuchten Migranten, über die verschneiten Alpen von Italien nach Frankreich zu gelangen.
Rund 40000 Erwachsene und etwa 10000 minderjährige Flüchtlinge waren diesem unwürdigen Katz-und-MausSpiel bislang ausgesetzt.
In der Praxis streiten die Länder über den Umgang. Die meist jungen Menschen, vorwiegend aus Afrika, darunter Mütter mit Kindern, werden von der Polizei aus dem Zug gebeten, wobei es korrekt, aber bestimmt zugeht. Dabei scheuen sich die Grenzschützer nicht, an verschlossene Toilettentüren zu klopfen und diese auch mit einem Generalschlüssel zu öffnen. In Frankreich werden die unerwünschten Personen in den nächsten Zug zurück gesetzt.
Viele Einheimische begegnen dem mit Gleichmut – aber nicht alle. Am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag, demonstrierten Tausende Menschen auf italienischer Seite gegen die Abschottung Europas gegenüber Flüchtlingen. Sie zogen durch Ventimiglia, darunter zahlreiche Italiener, aber auch Franzosen, Deutsche, Niederländer und Spanier, bis zur französischen Grenze, wo die Polizeipräsenz an dem symbolträchtigen Tag – zwei Jahre zuvor gab es im 40 Kilometer entfernten Nizza das Lkw-Attentat mit 86 Toten – deutlich verstärkt worden war.
Die Flüchtlinge, so das Symbol, sind nicht vergessen – doch eine Lösung des Problems ist nicht in Sicht.