DFB-Boss Grindel bricht Schweigen
FRANKFURT/SID Fehler eingeräumt, Rücktritt ausgeschlossen: DFB-Präsident Reinhard Grindel hat nach Tagen des Schweigens eingestanden, dass dem Deutschen FußballBund (DFB) die längst außer Kontrolle geratene Rassismus-Debatte um Mesut Özil sehr früh entglitten ist.
Persönliche Konsequenzen zog der 56-Jährige aber nicht – Grindel will an der DFB-Spitze bleiben. Die von Özil bei dessen Rücktritt aus der Nationalmannschaft am Sonntag offen geäußerten Anschuldigungen wies Grindel entschieden zurück.
Nachfragen zu der Debatte sind nach wie vor nicht gewünscht. Der Verband und sein Boss sind in der Defensive.
FRANKFURT Reinhard Grindel kann reden. Als Journalist hat er das bewiesen, als CDUBundestagsabgeordneter für Rotenburg an der Wümme und Umland und als Präsident des Deutschen FußballBundes. Doch seit Tagen hat er seine rhetorischen Fähigkeiten nicht mehr unter Beweis gestellt. Am Donnerstag äußerte er sich nun erstmals seit den Attacken des mittlerweile ehemaligen Fußball-Nationalspielers Mesut Özil: schriftlich via Website des Verbands. Möglichkeiten zu Nachfragen? Keine.
Grindel versucht mit reichlich Verspätung, das Heft des Handelns wieder zu übernehmen. Der 56-Jährige räumte zwar Fehler ein, wird aber nicht konkret. „Rückblickend“hätte er sich früher äußern sollen. Grindel glaubte, mit einem Interview im „Kicker“Anfang Juli die Folgen der Fotos von Özil mit seinem Mitspieler Ilkay Gündogan und dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan sowie das sportliche Debakel bei der WM in den Griff bekommen zu haben.
In seiner Erklärung weist er auf der einen Seite Özils Vorwurf des Rassismus „für den Verband und auch für mich persönlich“zurück. Auf der anderen Seite sieht er Handlungsbedarf, wenn er sagt, dass „wir die laufende Debatte zum Thema Integration und den veränderten Resonanzboden
für dieses Thema in unserer Gesellschaft zum Anlass nehmen, unsere Arbeit in diesem Bereich weiterzuentwickeln und zu fragen, wo und wie wir neue Impulse setzen können“.
Über der Causa Özil schwebt die Bewerbung um die EM 2024. Für den größten Fachverband der Welt und für Grindel ganz besonders. Bislang galt Deutschland als Favorit, einziger Mitbewerber ist
– ausgerechnet – die Türkei. Die Entscheidung fällt Ende September. Doch was tun bis dahin? Wie umgehen damit, dass der DFB seit Özils Attacken international mit dem Vorwurf des Rassismus in Verbindung gebracht wird?
Der Verband und sein Boss haben sich augenscheinlich für die Defensive entschieden. Sie kommunizieren nach außen nur schriftlich über die eigenen digitalen Kanäle. Vier
lange Tage nach Özils Attacken gegen Grindel und den DFB, drei Tage nach einer Erwiderung des Verbandes, in der der Präsident nicht vorkam, hat sich der erste Mann des deutschen Fußballs geäußert. Der DFB hatte Anfragen von Journalisten nach Gesprächspartnern abgeblockt.
Grindel hat die EM 2024 in seiner Erklärung vom Donnerstag ausdrücklich genannt. Er bezeichnete sie als „das
große gemeinsame Ziel“. Und: „Für all diese Vorhaben arbeiten wir gemeinsam in den kommenden Wochen und Monaten mit großem Engagement.“Zwischen den Zeilen ist zu lesen: Wir müssen zusammenstehen, wir dürfen uns nicht zerfleischen.
Grindel bekommt immer mehr Gegenwind. Von Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge etwa, der „Amateure“an der Verbandsspitze wähnt. Selbst Ex-DFB-Sprecher Harald Stenger findet Gehör, wenn er Grindel als schlechtesten Präsidenten in der Verbandshistorie beschimpft. Am Donnerstag sagte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble beim Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Irgendein kluger Mensch hätte das alles verhindern können und müssen.“