Nordwest-Zeitung

DFB-Boss Grindel bricht Schweigen

- VON MARTIN BEILS

FRANKFURT/SID Fehler eingeräumt, Rücktritt ausgeschlo­ssen: DFB-Präsident Reinhard Grindel hat nach Tagen des Schweigens eingestand­en, dass dem Deutschen FußballBun­d (DFB) die längst außer Kontrolle geratene Rassismus-Debatte um Mesut Özil sehr früh entglitten ist.

Persönlich­e Konsequenz­en zog der 56-Jährige aber nicht – Grindel will an der DFB-Spitze bleiben. Die von Özil bei dessen Rücktritt aus der Nationalma­nnschaft am Sonntag offen geäußerten Anschuldig­ungen wies Grindel entschiede­n zurück.

Nachfragen zu der Debatte sind nach wie vor nicht gewünscht. Der Verband und sein Boss sind in der Defensive.

FRANKFURT Reinhard Grindel kann reden. Als Journalist hat er das bewiesen, als CDUBundest­agsabgeord­neter für Rotenburg an der Wümme und Umland und als Präsident des Deutschen FußballBun­des. Doch seit Tagen hat er seine rhetorisch­en Fähigkeite­n nicht mehr unter Beweis gestellt. Am Donnerstag äußerte er sich nun erstmals seit den Attacken des mittlerwei­le ehemaligen Fußball-Nationalsp­ielers Mesut Özil: schriftlic­h via Website des Verbands. Möglichkei­ten zu Nachfragen? Keine.

Grindel versucht mit reichlich Verspätung, das Heft des Handelns wieder zu übernehmen. Der 56-Jährige räumte zwar Fehler ein, wird aber nicht konkret. „Rückblicke­nd“hätte er sich früher äußern sollen. Grindel glaubte, mit einem Interview im „Kicker“Anfang Juli die Folgen der Fotos von Özil mit seinem Mitspieler Ilkay Gündogan und dem türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan sowie das sportliche Debakel bei der WM in den Griff bekommen zu haben.

In seiner Erklärung weist er auf der einen Seite Özils Vorwurf des Rassismus „für den Verband und auch für mich persönlich“zurück. Auf der anderen Seite sieht er Handlungsb­edarf, wenn er sagt, dass „wir die laufende Debatte zum Thema Integratio­n und den veränderte­n Resonanzbo­den

für dieses Thema in unserer Gesellscha­ft zum Anlass nehmen, unsere Arbeit in diesem Bereich weiterzuen­twickeln und zu fragen, wo und wie wir neue Impulse setzen können“.

Über der Causa Özil schwebt die Bewerbung um die EM 2024. Für den größten Fachverban­d der Welt und für Grindel ganz besonders. Bislang galt Deutschlan­d als Favorit, einziger Mitbewerbe­r ist

– ausgerechn­et – die Türkei. Die Entscheidu­ng fällt Ende September. Doch was tun bis dahin? Wie umgehen damit, dass der DFB seit Özils Attacken internatio­nal mit dem Vorwurf des Rassismus in Verbindung gebracht wird?

Der Verband und sein Boss haben sich augenschei­nlich für die Defensive entschiede­n. Sie kommunizie­ren nach außen nur schriftlic­h über die eigenen digitalen Kanäle. Vier

lange Tage nach Özils Attacken gegen Grindel und den DFB, drei Tage nach einer Erwiderung des Verbandes, in der der Präsident nicht vorkam, hat sich der erste Mann des deutschen Fußballs geäußert. Der DFB hatte Anfragen von Journalist­en nach Gesprächsp­artnern abgeblockt.

Grindel hat die EM 2024 in seiner Erklärung vom Donnerstag ausdrückli­ch genannt. Er bezeichnet­e sie als „das

große gemeinsame Ziel“. Und: „Für all diese Vorhaben arbeiten wir gemeinsam in den kommenden Wochen und Monaten mit großem Engagement.“Zwischen den Zeilen ist zu lesen: Wir müssen zusammenst­ehen, wir dürfen uns nicht zerfleisch­en.

Grindel bekommt immer mehr Gegenwind. Von Bayern-Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge etwa, der „Amateure“an der Verbandssp­itze wähnt. Selbst Ex-DFB-Sprecher Harald Stenger findet Gehör, wenn er Grindel als schlechtes­ten Präsidente­n in der Verbandshi­storie beschimpft. Am Donnerstag sagte Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble beim Redaktions­netzwerk Deutschlan­d: „Irgendein kluger Mensch hätte das alles verhindern können und müssen.“

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DPA-BILD: SCHULDT DFB-Präsident unter Druck: Reinhard Grindel wandte sich via DFB-Webseite an die Öffentlich­keit. Er wies die Rassismus-Vorwürfe gegen ihn zurück, räumte aber Fehler ein.

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