So arbeiten die Seenotretter
Mit den freiwilligen Seenotrettern auf Kontrollfahrt mit der „Otto Behr;
Bereits vor der Fahrt ist einiges zu beachten. Denn: Während der regelmäßigen Touren durch das Revier kann es jederzeit zum Einsatz kommen – und dann muss es schnell gehen.
WILHELMSHAVEN Eine frische Brise weht mir ins Gesicht. Der Motor dröhnt. Gischt spritzt leicht über die Seiten auf die Plicht. „Wie viele Knoten fahren wir?“, rufe ich. „17“, antwortet Jan-Bernd Harbers knapp. Der 36-Jährige sitzt am Steuer. Ich bin auf dem Seenotrettungsboot „Otto Behr“der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS). Die Mannschaft hat mich auf eine ihrer zweimal wöchentlich stattfindenden Kontrollfahrten mitgenommen.
Doch von vorne. Bevor es losgeht, erklärt mir Jan Lehmann (55), einer der Freiwilligen, wie ich meine Rettungsweste richtig anlege und wie sie funktioniert. Auch die vier Männer, die heute bei der Fahrt dabei sind, tragen eine solche Weste. „Das ist Pflicht, genauso wie Sicherheitsschuhe und die richtige Kleidung“, erklärt Lehmann. Bei Schleppmanövern muss zudem ein Sicherheitshelm getragen werden. Ein Netz, das hinten am Boot angebracht ist, schützt zusätzlich. „Eigenschutz hat immer Vorrang“,
sagt Lehmann. „Man muss das eigene Risiko in Relation sehen.“
Auf einmal vernehme ich einen Funkspruch aus der Kabine. „Wir müssen uns vor jeder Fahrt bei der Rettungsleitstelle der DGzRS in Bremen abmelden“, sagt Arne Schnabel (57), der als Bootsführer den „Hut aufhat“. Der Schortenser ist früher lange Jahre zur See gefahren. Schnell zieht er sich Handschuhe über und macht gemeinsam mit Lehmann die Leinen los. Mit einem lauten Hupen verlassen wir den kleinen Nassau-Hafen.
Revier abfahren
„Die ,Otto Behr‘ ist schon 25 Jahre alt“, erzählt Schnabel. Gemeinsam mit 24 anderen freiwilligen Seenotrettern um Vormann Erwin Clausen ist er mit dem 8,5 Meter langen, selbstaufrichtenden Boot in Schichten unterwegs.
Wir starten in Richtung Eckwarderhörne. Was genau ist eigentlich eine Kontrollfahrt? „Dabei fahren wir das Revier ab und schauen uns nach Besonderheiten um“, erklärt Schnabel. Auch Revierkunde, also wie tief das Wasser ist, und Übungen gehören dazu. Und natürlich kann jederzeit ein Einsatz bevor stehen. „Dann kann es auch mal ein paar Stunden dauern, bis wir wieder anlegen“, sagt er und zwinkert mir zu. Nicht schlimm, denke ich, auf dem Wasser ist es zumindest angenehm kühl.
Und was passiert, wenn es tagsüber einen Alarm gibt? „Wir sind in der Lage, in 15 bis 20 Minuten einsatzklar zu sein“, sagt Schnabel. Mindestens drei Mann müssen bei einem Einsatz an Bord sein – abhängig auch von der Art des Einsatzes. Deswegen wohnen die Freiwilligen in der Nähe.
Das gilt auch für Leon Drossel. Für den 20-Jährigen ist es die zweite Fahrt. „Ich bin frisch dabei und habe bislang einen positiven Eindruck – das Maritime hat mich schon immer sehr interessiert.“
Mittlerweile sind wir in der Nähe von Eckwarderhörne angekommen. Auf einer Anzeige neben dem Steuer steht, wie tief das Wasser ist. 75 Meter, an anderer Stelle 19 Meter – die Tiefe schwankt ordentlich. Lehmann geht mit mir ins Schiffsinnere. Hier ist es heiß und riecht ein wenig nach Diesel. Vorne rechts befindet sich der Platz des Navigators. Neben einer elektronischen Karte, die über ein Radar verfügt, gibt es auch Papierkarten.
Der Vareler zeigt mir unsere bisherige Route und das Revier der „Otto Behr“: den Jadebusen und die Innenjade bis zum Fischerort Hooksiel. Die weißen Stellen kennzeichnen die Fahrwasserrinne. Auch Einsatzberichte und ein Schiffstagebuch gibt es. Und natürlich verschiedene Funkgeräte. „Unser Rufzeichen ist DH3774“, sagt Lehmann. Unter anderem Suchscheinwerfer, ein Notfallkofferund -rucksack sowie ein Halbautomatik-Defibrillator gehören zur Ausrüstung. Und der Teddy? „Das ist unser Maskottchen ,Otto Behr‘.“
Routinierte Rettung
Weiter geht es in nördliche Richtung. Plötzlich macht Schnabel eine schnelle Bewegung. „Boje über Bord, Backbordseite“, ruft er laut. Sofort verlangsamt Harbers das Tempo und dreht das Boot bei. Es schwankt, und ich greife nach einem Griff. Schnabel öffnet die Bergepforte an der Steuerbordseite.
Er weist Lehmann an, ihn zu halten. Und schon hängt sich der Bootsführer über Bord, um die Boje zu greifen. Innerhalb kürzester Zeit hat er sie gepackt und wieder an Bord gezogen. Alles wirkt sehr routiniert. „Das ist ein Manöver, um Personen zu retten“, erklärt er. Einziger Unterschied: „Dann werden wir mit einem Seil gesichert – schließlich brauche ich dann beide Hände.“Und: „Bei einem Einsatz stehen wir über Funk natürlich in ständiger Kommunikation.“
Sind die Menschen dankbar für ihre Rettung? „Darauf kommt es uns nicht an“, betont Schnabel. „Wir wollen da sein und helfen – das ist das wichtigste. Es zeichnet uns aus, dass wir den Ehrgeiz haben, den anderen Menschen zu helfen.“
Nach einer guten Stunde ist die Fahrt für diesen Tag beendet, und wir laufen in den Hafen ein. Nachdem das Boot wieder vertäut ist, melden wir uns per Funk in Bremen ab: „Alle fünf zurück“. Doch ganz fertig ist die Arbeit nicht: Mit einem Eimer mit frischem Wasser putzt Harbers die Scheiben der „Otto Behr“. Ordnung muss sein – schließlich soll das Boot noch lange Zeit Menschen in Not retten.
„Wir sind in der Lage, in 15 bis 20 Minuten klar zu Start zu sein“ARNE SCHNABEL