Nordwest-Zeitung

Jean-Claude Junckers größter Deal

Mit seinem Erfolg bei Trump hat der Kommission­spräsident viele Kritiker überrascht

- VON DETLEF DREWES, BÜRO BRÜSSEL

Der Kommission­spräsident hatte ein „beispiello­ses Druckmitte­l“in der Tasche – die Anhebung von EU-Zöllen. Doch es gibt einen weiteren Grund f3r seinen Erfolg.

BRÜSSEL/WASHINGTON Es ist Jean-Claude Junckers ganz großer Auftritt. Der EU-Kommission­spräsident sitzt am Mittwochab­end vor dem Kamin im Weißen Haus, neben ihm Donald Trump. Die Atmosphäre ist frostig, das Gespräch hat noch nicht begonnen. Während der US-Präsident ein paar giftige Pfeile Richtung Europa („Wir müssen uns wehren“) abschießt, tut ausgerechn­et der Juncker, auf dessen Erfolg niemand gesetzt hatte, etwas völlig Unerwartet­es: Er hält dagegen („Wir müssen zusammenar­beiten“).

Am Morgen danach und einen Durchbruch später sagt ein EU-Diplomat aus der Führungset­age der Union: „Man hat Juncker angesehen, dass er entschloss­en war – und ofren fenbar gut munitionie­rt.“Der Kommission­spräsident sagte nach dem Treffen mit Trump: „Ich wollte einen Deal, wir haben einen Deal.“Ist das wirklich derselbe Juncker, den nicht wenige in den Tagen und Wochen davor regelrecht abgeschrie­ben hatten?

Er habe relativ leichtes Spiel gehabt, sagen deutsche Kommentato­ren am Morgen nach dem über drei Stunden dauernden Treffen in Oval Office. Trump habe unter Druck gestanden: Seine Farmer wollten keine staatliche Förderpräm­ie, sondern den offenen Wettbewerb. Noch am Tag vor der Begegnung mit Juncker sei der US-Präsident von den eigenen Autobossen regelrecht in die Zange genommen worden, weil Stahlimpor­te

aus Europa durch die Rache-Zölle der EU teurer geworden seien.

Aber das alles ist wohl nur die halbe Wahrheit. Juncker, so heißt es am Donnerstag aus Kommission­skreisen, habe ein „beispiello­ses Druckmitte­l“in der Tasche gehabt: die Entschloss­enheit der europäisch­en Mitgliedst­aaten. Und eine Liste der Waren, deren Zölle die EU anheben werde, sollte der US-Präsident tatsächlic­h gegen europäisch­e Autos vorgehen. Umfang: 240 Milliarden Euro. Selbst Trump dürfte geahnt haben, dass er mit einem Sturm des Widerstand­s aus den eigenen Reihen rechnen müsste, sollte Europa dieses Maßnahmenp­aket in Kraft setzen.

Doch Junckers Erfolgsrez­ept dürfte damit nicht einmal annähernd erklärt sein. Es gibt einen Politiker-Typus, dessen größte Stärke es ist, unterschät­zt zu werden. Juncker gehört dazu. So gesundheit­lich angeschlag­en der langjährig­e Luxemburge­r Premiermin­ister sein mag – und auch bei seinen Auftritten in Washington war deutlich erkennbar, wie sehr er unter seinen Rückenprob­lemen nach einem Autounfall vor 30 Jah-

leidet, so gradlinig und zielstrebi­g ist seine Verhandlun­gsstrategi­e. Vor allem in Augenblick­en wie diesen, in denen er es wagt, als „erster Europäer“aufzutrete­n. Zunächst einmal ohne Mandat und Rücksicht auf die 28 Staats- und Regierungs­chefs.

Juncker konnte agieren, wie er wollte, sekundiert von seiner Handelskom­missarin Cecilia Malmström, die von amerikanis­chen Verhandlun­gspartnern ebenfalls gerne als „harter Hund“bezeichnet wird, wenn auch im Ton stets verbindlic­h. Und so tat Juncker, was er bei den Brexit-Gesprächen mit der britischen Premiermin­isterin Theresa May und in der Griechenla­ndKrise mit dem Athener Regierungs­chef Alexis Tsipras getan hatte: Er reißt die Verhandlun­gen an sich, und wenn die Türen aufgehen, gibt es einen Deal. Trump sei erkennbar beeindruck­t gewesen.

Juncker wird wissen, dass es bis zu einem beiderseit­igen Abkommen noch ein langer Weg ist. Aber ihm ist auch klar, dass er einen Auftaktsie­g erreicht hat, hinter den Trump nicht ohne Gesichtsve­rlust wieder zurückfall­en kann.

 ?? AP-BILD: VUCCI ?? EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker (links) und US-Präsident Donald Trump nach der Pressekonf­erenz im Weißen Haus.
AP-BILD: VUCCI EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker (links) und US-Präsident Donald Trump nach der Pressekonf­erenz im Weißen Haus.
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