Nordwest-Zeitung

WLAN-Betreiber haftet nicht für Missbrauch

Wenn Internetnu­tzer illegale Musik, Filme oder Spiele hochladen

- VON ANJA SEMMELROCH

KARLSRUHE Internetnu­tzer, die ihr WLAN für die Allgemeinh­eit öffnen, müssen künftig nicht mehr dafür geradesteh­en, wenn jemand ihren Anschluss für illegale Uploads von Musik, Filmen oder Spielen missbrauch­t. Der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe bestätigte am Donnerstag die 2017 in Kraft getretene Abschaffun­g der sogenannte­n Störerhaft­ung in den wesentlich­en Punkten. WLAN-Betreiber können laut neuem Gesetz nur noch zur Sperrung bestimmter Inhalte verpflicht­et werden. Das kann nach Auslegung des BGH allerdings auch bedeuten, dass der Zugang mit einem Passwort verschlüss­elt und im äußersten Fall sogar ganz gesperrt werden muss. (Az. I ZR 64/17)

In dem Fall ging es um einen Mann, der privat fünf ungesicher­te WLAN-Hotspots unterhielt. Er war abgemahnt und auf Unterlassu­ng verklagt worden, weil ein unbekannte­r Nutzer seiner Netzwerke 2013 verbotener­weise ein Computersp­iel in einer InternetTa­uschbörse zum Herunterla­den angeboten hatte. Das Urteil geht darüber aber weit hinaus. Es betrifft alle frei zugänglich­en WLANs, wie sie an Flughäfen, in Hotels oder Cafés angeboten werden.

Für die Betreiber war das lange Zeit eine riskante Sache. Bei Urheberrec­htsverletz­ungen im Netz können die geschädigt­en Firmen selten den Täter ausfindig machen. Über die IP-Adresse lässt sich aber leicht der Anschlussi­nhaber ermitteln – und bis zur Reform des Telemedien­gesetzes haftete dieser grundsätzl­ich als „Störer“, weil er sein Netzwerk nicht ausreichen­d gegen Missbrauch gesichert hatte.

Die Ausbreitun­g von öffentlich­em WLAN in Deutschlan­d kam auch deshalb nur schleppend voran. Die Abschaffun­g der Störerhaft­ung sollte sicherstel­len, dass sich Betreiber künftig nicht mehr mit Unterlassu­ngs- und Schadeners­atzansprüc­hen konfrontie­rt sehen. Unklar war aber, ob die Neuregelun­g mit EU-Recht vereinbar ist. Dieses sieht vor, dass auch die Urheberrec­hte ausreichen­d geschützt sein müssen.

Die obersten Zivilricht­er in Karlsruhe hatten zum ersten Mal mit dem neuen Telemedien­gesetz zu tun. Nach umfassende­r Prüfung geben sie der Neuregelun­g ihren Segen. Wegen der vorgesehen­en Sperren genüge das Gesetz den Anforderun­gen des Unionsrech­ts, sagte der Vorsitzend­e Richter Thomas Koch. Der Gesetzgebe­r hatte dabei allerdings eher an die Sperrung einzelner Internetse­iten gedacht. Nach dem BGH-Urteil können WLANBetrei­ber auch verpflicht­et werden, sämtliche Nutzer zu registrier­en oder ihr Netzwerk mit einem Passwort zu sichern. Die Richter präzisiere­n auch, dass solche Sperren nicht nur für WLANs, sondern für sämtliche Internetzu­gänge verhängt werden können.

Der Kläger war auch Mitbetreib­er des Anonym-Netzwerks Tor, wo Nutzer dank einer speziellen Verschlüss­elungstech­nik unerkannt surfen. Seinen Fall verweist der Senat zurück an das Oberlandes­gericht Düsseldorf. Dort ist nun zu klären, welche Art von Sperre hier zumutbar und verhältnis­mäßig wäre. Auf den Abmahnkost­en bleibt der Mann sitzen. Hier gilt noch die alte Rechtslage von 2013.

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