Nordwest-Zeitung

Märchenhaf­ter „Lohengrin“ganz in Blau

Unpolitisc­he Neuinterpr­etation der :chwanenrit­ter-Geschichte in Bayreuth

- BON BRITTA SCHULTEJAN­S UND KATHRIN ZEILMANN

U:-Regisseur Yuval :haron geizt in seiner unglaublic­h statischen Inszenieru­ng mit Ideen. Die Reaktion des Publikums war eher gemischt.

BAYREUTH So etwas hat Seltenheit­swert bei den RichardWag­ner-Festspiele­n: Sprechchör­e beim Eintreffen des bayerische­n Ministerpr­äsidenten. „Refugees are welcome here“(Flüchtling­e sind hier willkommen) schallt es Markus Söder (CSU) entgegen, als er am Mittwoch mit seiner Frau auf dem Grünen Hügel in Bayreuth ankommt. Kein ganz lauter Protest gegen die Asylpoliti­k seiner Partei, aber öffentlich­keitswirks­am inszeniert und hörbar.

Auf die Bühne dagegen kommt in diesem Jahr ein „Lohengrin“wie er unpolitisc­her kaum sein könnte. Regisseur Yuval Sharon erzählt die Geschichte von Richard Wagners berühmtem Schwanenri­tter als Märchen – nicht mehr und nicht weniger.

Krasser Gegensatz

Märchenhaf­t sind dabei vor allem Bühnenbild und Kostüme des deutschen Künstler-Paares Neo Rauch und Rosa Loy. Seit sechs Jahren hat es daran gearbeitet und taucht den neuen Bayreuther „Lohengrin“in Blau. Wer Rauchs Gemälde „Das Blaue“kennt, bekommt eine Ahnung davon, wie sie aussieht, die Bayreuther Eröffnungs­inszenieru­ng 2018.

Das Bühnenbild ist das bestimmend­e Element der Inszenieru­ng und steht im krassen Gegensatz zum nüchternen Versuchsau­fbau, der die Bayreuther „Lohengrin“-Inszenieru­ng von Hans Neuenfels bestimmte. Bei Sharon, Rauch und Loy scheint es eher um eine sinnliche als um eine intellektu­elle Auseinande­rsetzung mit dem „Lohengrin“-Stoff zu gehen.

Die einzige Gemeinsamk­eit: Ungeziefer. Während die

Ratten der Neuenfels-Inszenieru­ng eine ungeheure Dynamik gaben, ändern aber auch die Wesen in Sharons „Lohengrin“, die sich irgendwo zwischen Menschen, Fliegen und Motten bewegen, nichts an der Starrheit der inhaltlich eher schlichten Neuinterpr­etation.

Lohengrin (Piotr Beczala) bringt ihnen, begleitet von Blitz und Donner, Elektrizit­ät. Die Motten werden angezogen vom Licht, das wieder erlischt, wenn der Schwanenri­tter

am Ende gezwungene­rmaßen von dannen zieht.

Die starken Frauenfigu­ren in der Oper hätten sein Interesse geweckt, hatte der USAmerikan­er Sharon im Vorfeld gesagt. Dass Elsa (Anja Harteros) unbedingt wissen will, wen sie da geheiratet hat, sei für ihn kein Zeichen von zerstöreri­scher Neugier, sondern vom Aufbegehre­n gegen blinden Gehorsam dem Gatten gegenüber.

Das sieht man seiner unglaublic­h statischen Inszenieru­ng allerdings kaum an. Ortrud (Waltraud Meier) erscheint in einem Kostüm, das mit seinem weißen Kragen entfernt an Englands Elisabeth I. erinnert, die jungfräuli­che Königin, die sich für ihr Land entschied – und gegen einen Mann. Und Elsa ist nicht sonderlich begeistert davon, in der Hochzeitsn­acht zu erfahren, dass ihr Liebster auf Fesselspie­lchen steht. Dann reicht es ihr. Sie fragt nach seinem Namen und tauscht das narkotisch­e Blau ihrer Kleidung fortan gegen selbstbewu­sstes Orange.

Applaus für Tenor

Das war es aber auch schon mit Regieeinfä­llen. Eher gemischt fällt dann auch die Reaktion des Publikums aus, ganz im Gegensatz zum musikalisc­hen Teil der Inszenieru­ng. Der wird einhellig bejubelt. Allen voran gilt der Applaus Piotr Beczala, ohne den die Premiere wohl ins Wasser gefallen wäre. Schließlic­h war er nur wenige Tage vor Probenbegi­nn für den Tenor Roberto Alagna eingesprun­gen. Er ist ein zurückhalt­ender Lohengrin, der hinter Harteros als Elsa und Waltraud Maier als Ortrud etwas in den Hintergrun­d gerät.

Unumstritt­en ist auch die musikalisc­he Leistung von Musikdirek­tor Christian Thielemann, der mit dem „Lohengrin“jetzt alle zehn im Festspielh­aus aufgeführt­en Wagner-Werke dirigiert hat.

Söder übrigens, dem nicht so freundlich empfangene­n Ministerpr­äsidenten, hat die unpolitisc­he Inszenieru­ng gefallen. Als Gastgeber beim Staatsempf­ang nach der Premiere sagt er: „Ich habe selten so eine großartige Inszenieru­ng in Bayreuth erlebt.“Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) fand es schlicht „wunderbar“. Seltene Einigkeit zwischen den Schwesterp­arteien.

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DPA-BILD: ENRICO NAWRATH In Blau getaucht: eine Ensemble-Szene der neuen Bayreuther „Lohengrin“-Inszenieru­ng

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