Freiheit im Netz
Hass und Hetze im Netz einen Riegel vorschieben: Das war die gute Idee hinter dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Vor einem halben Jahr ist es in Kraft getreten, seitdem müssen Facebook & Co. eigenständig rechtswidrige Inhalte von ihren Plattformen entfernen. Sie löschen im Rekordtempo, wie die nun veröffentlichten TransparenzBerichte der Internetkonzerne zeigen. Fast alle gemeldeten und für illegal befundenen Inhalte wurden binnen 24 Stunden entfernt. Schon die Androhung hoher Strafgelder hat ihre Wirkung entfaltet.
Das mag wie ein Erfolg aussehen, doch bleiben viele Fragen: Wer kontrolliert eigentlich, was da wie gelöscht wird? Und wie oft wird beim Löschen übertrieben und aus dem Netz verbannt, was nicht verbannt werden dürfte? Im Januar löschte Twitter einen Beitrag der Satire-Zeitschrift „Titanic“. Das war kein kleines Missgeschick, sondern weist auf ein größeres Problem hin: Dass die Entscheidungsgewalt über ein wichtiges Grundrecht – die freie Meinungsäußerung – nun bei den Internetkonzernen liegt und eine Aufgabe der Gerichte ausgegründet wird. Schon vor dem Anti-Hass-Gesetz haben Richter diese praktisch nie wahrgenommen. Meistens kam es nicht einmal zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, wenn sich ein Opfer von Online-Hetze an die Strafverfolgungsbehörden wandte. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz hat dieses Versäumnis zur Normalität gemacht. Die Justiz wurde entlastet, eine rechtsstaatliche Aufgabe an die Privatwirtschaft ausgelagert. Natürlich dürfen die Internetgiganten, die mit dem Meinungsgeschäft Milliarden machen und das Problem erst schufen, nicht aus der Verantwortung entlassen werden. Aber es braucht eine bessere Kontrolle, eine richterliche Aufsicht über das große Löschen. Hier muss Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) dringend nacharbeiten. Dabei gilt es gleichermaßen dafür zu sorgen, dass Facebook & Co. echte Hasskommentare verbannen, aber nicht aus vorauseilendem Gehorsam alles löschen, was auf den ersten Blick anstößig wirkt. Würde das Gesetz in Selbstzensur ausarten, wäre die Freiheit im Netz ernsthaft bedroht. @ Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de