Nordwest-Zeitung

Özils Mitspieler schweigen weiter

Von früheren Nationalel­f-Kollegen ist zum Rücktritt „fast“nichts zu hören

- VON THOMAS HÄBERLEIN

MÜNCHEN Reinhard Grindel hat sich geäußert. Viel zu spät, aber immerhin. Auch Cacau, früher Nationalsp­ieler, nun Integratio­nsbeauftra­gter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), meldete sich zu Wort. Viel zu spät, aber immerhin. Der gebürtige Brasiliane­r startete sogar eine regelrecht­e Medienoffe­nsive, um zu Mesut Uzil, dessen RassismusV­orwürfen und dessen Rücktritt aus der Fußball-Nationalma­nnschaft Stellung zu beziehen. Der Rest? Ist Schweigen.

Bundestrai­ner Joachim Löw etwa hat sich seit Wochen nicht mehr konkret zu Uzil geäußert. Erstaunlic­h genug. Löw hat Uzil zu 92 Einsätzen für die Nationalma­nnschaft berufen, Uzil war eine Art Lieblingss­pieler des Bundestrai­ners. Außerdem sind beide über dieselbe Beraterage­ntur verbunden. Vom Rücktritt, zumindest aber von dessen Zeitpunkt, wurde Löw jedoch überrascht, im Urlaub auf Sardinien. Kommentare zu Uzil sind von dort bislang nicht zu hören oder lesen. Im Zentrum der Debatte: Mesut Özil

Mindestens ebenso auffällig ist das Schweigen der bisherigen Mitspieler in der Nationalma­nnschaft. Zu ein paar netten Worten des Abschieds in den Sozialen Netzwerken konnten sich nur Jerome Boateng, Julian Draxler und Antonio Rüdiger aufraffen, sie sind (oder waren) gemeinsam mit Uzil Teil der „Bling-BlingFrakt­ion“in der DFB-Auswahl. Ilkay Gündogan, der wie Uzil wegen des Fotos mit dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan in der Kritik stand, sich aber dazu längst geäußert hatte, versah die drei Teile von Uzils Erklärung mit Herzchen.

Und sonst? Mathias Ginter, Weltmeiste­r und Mitglied des Kaders für die WM in Russland, sagte ausweichen­d, Uzil werde „seine Gründe haben“, es sei schade, dass so ein Spieler aufhöre, aber er kenne die Hintergrün­de des Falles nicht so genau. Nils Petersen vom SC Freiburg, der Uzil immerhin während der Vorbereitu­ng in Südtirol kurz erlebt hatte, sagte, er finde es „schade, wenn Politik und Fußball vermischt werden“, und ja, „Uzil hätte einen schöneren Abschied verdient“.

Ansonsten? Nichts. Manuel Neuer, immerhin der Kapitän, hat über sein Management ausrichten lassen, er werde sich äußern, jedoch erst zu gegebener Zeit. Sami Khedira, bisher ein meinungsst­arker Führungssp­ieler in der DFBAuswahl S außerdem einer mit Migrations­hintergrun­d S blieb zuletzt stumm. Ebenso Spieler wie Thomas Müller, Mats Hummels oder Mario Gomez, deren durchaus dezidierte Vußerungen auch in der Uffentlich­keit für gewöhnlich Gehör finden.

Es steht zu vermuten, dass dieses Schweigen mehr sagt als tausend Worte. Es ist kein großes Geheimnis, dass Uzil, dem der DFB darüber hinaus vor der WM einen Verzicht auf den Medientag im Trainingsl­ager gestattete, auch in der Mannschaft mindestens für Unruhe gesorgt hatte. „Am Anfang hat das schon ein bisschen gestört in der Mannschaft, war sogar belastend“, hatte Kapitän Neuer gesagt. Ausgeräumt, wie er behauptete, wurden die Probleme wohl nicht, jedenfalls nicht vollständi­g.

Unterstütz­ung für Uzil ist aus dem Kreis der Nationalsp­ieler bislang jedenfalls nicht zu hören. Zu einer Aktion wie die der Schweden, die sich während der Weltmeiste­rschaft im wahrsten Sinne des Wortes hinter ihren rassistisc­h attackiert­en Mitspieler Jimmy Durmaz stellten, haben sich der DFB und Uzils bisherige Kollegen schon gleich gar nicht aufraffen können. Oder wollen.

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DPA-BILD: CHARISIUS

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