Exotische Schönheit aus dem Moor
Sumpfcalla in Gellener Torfmöörte – Unterwegs mit Landschaftswart Kay Fuhrmann
Im Moor nördlich von Oldenburg wächst die aparte Sumpfcalla in verschwenderischer Fülle. In anderen Regionen kommt die Pflanze nur noch selten vor.
GELLEN Dschungelcamp – oder was? Wer mit Kay Fuhrmann in der Gellener Torfmöörte bei Elsfleth (Kreis Wesermarsch) unterwegs ist, der kann was erleben: Über schwankende Torfmoosflächen, durch hüfthohes Pfeifengras und sumpfigen Bruchwald, umschwärmt von Tiraden heißhungriger Mücken und Bremsen, stapfen wir durch das unwegsame Moor.
Immer wieder bleibt der Landschaftswart stehen, schnappt mit der Hand nach seltenen Insekten und Amphibien. Hier die seltene Goldschrecke, dort die Mooreidechse oder ein noch klitzekleiner Moorfrosch. Und dann, im Uferbereich der Moorseen, eine Schönheit, wie man sie eigentlich nur in tropischen Gefilden vermutet: die Sumpfcalla!
Extremer Lebensraum
Drachenwurz, Schlangenkraut oder sogar Schweinsohr: Die Sumpfcalla hat viele Namen. Vielleicht auch deshalb, weil sie mit ihrer außergewöhnlichen Gestalt immer wieder die Fantasie der Menschen anregt. Ihr panzerartiger, grüngelber Blütenkolben ähnelt einer schuppigen Drachenhaut. Das ovale, weiße Hüllblatt, nun ja, der Vergleich mit dem Schweineohr hinkt. Viel treffender dagegen ist die Bezeichnung Schlangenkraut, betrachtet man ihre langen, sich windenden Kriechwurzeln, die Rhizome. Zumal das ganze Gewächs giftig ist und angeblich bei Schlangenbissen hilft.
Kay Fuhrmann musste sich darüber zum Glück noch nie Gedanken machen. Obwohl er bei seinen Streifzügen durch die Gellener Torfmöörte nicht selten auf Kreuzottern und Ringelnattern trifft. Die „Möörte“– das sumpfige Land – gehört zu den letzten Resten naturnaher Hoch- und Übergangsmoore im Landkreis Wesermarsch.
Es ist ein extremer Lebensraum, nass, nährstoffarm und meistens sauer. Dort finden spezialisierte, teils stark gefährdete Tier-und Pflanzenarten ihr Refugium. Wie eben die Sumpfcalla. Sie ist auf Niedermoore wie die Torfmöörte Sattgrüne Blätter und leuchtend helle Blüten: eine Sumpfcalla am Ufer eines Teiches in der Gellener Torfmöörte Eine Kostbarkeit: Landschaftswart Kay Fuhrmann mit einer Sumpfcalla, die bereits rote Beeren trägt
angewiesen, die noch einen gewissen Nährstoffgehalt haben. „Man findet sie meistens im Übergangsbereich vom Land zum offenen Wasser,“weiß der Naturkenner, „dort breitet sie sich dann mit ihren Rhizomen aus und verlandet langsam aber sicher komplette Teiche.“
Vor uns, im dunklen Wasser der alten Torfstiche, breitet sich ein schwimmender Teppich aus sattgrünen Blättern und leuchtend hellen Blütenständen aus. – Ein zauberhafter Anblick in dieser verwunschenen Urlandschaft. Wer der Calla näher kommen will, holt sich allerdings nasse Füße. „Schnuppern“sei auch kein Vergnügen, warnt mein Begleiter. Stinkwurz werde die
feine Dame auch genannt.
Ihr mit vielen kleinen Einzelblüten besetzter Kolben verströmt einen üblen Aasgeruch. Schnecken finden das prima. So gehört die exzentrische Lady zu den ganz seltenen Gewächsen, die sich vom Schleim der Wasserschnecken bestäuben lassen. Ein echtes Kuriosum!
Ein Glücksfall
Ihre ganze Pracht entfaltet die Sumpfcalla im reifen Alter, zwischen August und September. Dann trägt ihr Kolben scharlachrote Beeren. Die Fruchtkapseln, so erfahre ich, platzen später auf, und die Samen schwimmen zu neuen Ufern. Oder sie nutzen den Flugverkehr, indem sie sich mit ihrer klebrigen Hülle ans Gefieder der Wasservögel heften.
Hinzu kommt die vegetative Vermehrung. Fuhrmann holt vorsichtig eine Pflanze aus dem Wasser und hält sie hoch. Das horizontal verlaufende Rhizom zeigt lauter feine Faserwurzeln und frische Blattaustriebe, die dem Licht entgegenstreben. Fast wie beim unverwüstlichen Girsch. „Schon das kleinste Stück fängt im Wasser ruckzuck an zu wurzeln – daraus kann ein ganzer Bestand entstehen.“
Schade nur, dass diese botanische Kostbarkeit nur selten Gelegenheit dazu findet. Die wilde Calla gilt in Mitteleuropa bereits als stark gefährdet.
Die Blütezeit
dieser etwa 30 Zentimeter hohen Staude liegt zwischen Mai und August. Besonders auffällig sind ihr weißes Hochblatt, der im Herbst mit scharlachroten Beeren besetzte Blütenkolben und die herzförmigen Blätter, die aus dem kriechenden Rhizom entspringen. Sumpfcalla steht unter Naturschutz und darf daher nur „von Weitem“bewundert
werden. Idyllisch: Moorlehrpfad in der Torfmöörte – Kleines Bild: ein kleiner Moorfrosch