Feigenblatt reicht Facebook nicht
Nackte von Rubens stellt belgische Museen vor Probleme
Der Internetgigant blendet in automatisierter Zensur die Gemälde aus. Doch mit ihnen will man im Netz für einen Besuch Flanderns werben.
BRÜSSEL Seit vier Jahrhunderten kennt die Welt die üppigen Nackten des flämischen Meisters Peter Paul Rubens (1577–1650). Sie haben bei Generationen von Menschen gleichermaßen Bewunderung und moralische Empörung ausgelöst. Die Moral- und Sittenwächter seiner Zeit setzten durch, dass die Blößen bei Adam und Eva mit dem berühmten Feigenblatt bedeckt wurden.
Doch das ist dem Internetgiganten Facebook im 21. Jahrhundert nicht mehr genug. Er blendet in automatisierter Zensur Rubensbilder aus, mit dem belgische Museen für einen Besuch Flanderns werben wollen. Und die haben damit ein Problem: „Es ist wirklich peinlich für Visitflanders, dass wir nicht eines unserer größten Werke der Welt zeigen können“, sagt die Sprecherin des Tourismusbüros, Tama dOHaen. „Deshalb hatten wir die Idee mit einem Video.“
In diesem ironischen Film lotst das Aufsichtspersonal im Rubens-Museum in Antwerpen Besucher von Gemälden mit Nackten weg zu Darstellungen mit bekleideten Personen. Ein Aufseher breitet sogar seine Arme vor „Adam und Eva“aus, um es zu verdecken. 20 Prozent der Facebook-Posts, die den flämischen Meistern gewidmet sind, könnten dem Publikum weltweit nicht gezeigt werden, klagt dOHaen.
Unterstützung bekommt Visitflanders von einem Dutzend belgischer Kulturbeauftragter, die Facebook-Chef Mark Zuckerberg schrieben: „Die von unserem Künstler gemalten entblößten Brüste
und Hintern werden von Ihnen als unangemessen betrachtet. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass Facebook stetig Kunstwerke unseres geliebten Peter Paul Rubens ablehnt.“
Facebook sagt, ihm sei das Problem bewusst. Aber eine Aufhebung der Blockade für Rubens-Gemälde als Kunst wäre im Falle einer Werbekampagne, wie Visitflanders sie führt, nicht genug. Denn die Facebook-Regeln bezüglich anstößiger Inhalte bei Werbung sind noch strenger gefasst. „Adult Content“ist unzulässig, und der ist definiert als „Nacktheit, Darstellung von Menschen in expliziten oder zweideutigen Stellungen oder Aktivitäten, die offen erregend und sexuell provozierend sind“.
Weiter einschränkend heißt es, auch „angedeutete Nacktheit, selbst künstlerischer und bildender Natur“gehörten zu den Inhalten, die automatisch abgelehnt würden. Da sind Rubens und die anderen alten Meister sozusagen auf frischer Tat ertappt.
DOHaen sagt, sie wünsche sich, dass Facebook zwischen Nacktheit allgemein und pornografischen Darstellungen unterscheidet. Heutige Museumsbesucher hätten sich noch nie über die Rubensbilder mit nackten Menschen beschwert. Facebook teilte in einer E-Mail an die Nachrichtenagentur AP mit, dass die Kunstproblematik Teil einer seit Längerem laufenden Überprüfung sei. „Wir wollen sicherstellen, dass Museen und andere Institutionen einige
ihrer berühmtesten Gemälde teilen können.“
Rubens wäre die Zensur des 21. Jahrhunderts nicht ganz fremd. Die katholische Kirche setzte durch, dass er seinen Venus-Darstellungen Lendenschürze verpasste, obwohl er künstlerisch nackte Haut bevorzugt hätte. Er war nicht der einzige berühmte Maler, der sich der Kirche beugen musste, wie der Direktor des italienischen Kulturinstituts in Brüssel, Paolo Grossi, erläutert. „Jeder kennt die Geschichte von Il Braghettone, dem berühmten Daniele da Volterra, der gebeten wurde, Lendenschürze über Michelangelos Nackte im ,Jüngsten GerichtP in der Sixtinischen Kapelle zu malen.“„Il Braghettone“ist ein Spottname – „der Hosenmaler“.