Ohne Pflegeplatz kein Urlaub
Hildegard Winterhagen erhielt 22 Absagen von Heimen
Die 75-Jährige möchte Sohn und Enkelin besuchen. Doch ihr Mann braucht Hilfe – und bekommt sie erst nach einem Anrufmarathon.
OLDENBURG Nur ein paar Tage raus, mal loslassen, etwas entspannen. Das klingt so einfach. Doch wer Angehörige zu Hause pflegt, für den ist das eine Herausforderung – und mitunter ein Wunsch, der ziemlich nah an der Unmöglichkeit liegt. Hildegard Winterhagen fährt in dieser Woche ein paar Tage weg. Doch bis das möglich war, hat ihr die Pflegebranche viele Steine in den Weg gelegt.
Die 75-Jährige aus Oldenburg hat eine Liste angefertigt. Darauf stehen die Namen von 22 Pflegeheimen, die meisten aus Oldenburg, ein paar aus dem Umland. Seit Mai, als sie ihre Reise für August planen wollte, hat sie all diese Heime abtelefoniert auf der Suche nach einem Kurzzeitpflegeplatz für ihren Ehemann Klaus Uwe Winterhagen (74). Das Ergebnis war niederschmetternd: Es hagelte Absagen.
„Dabei werben all diese Heime mit Kurzzeitpflege-Angeboten“, erzählt Hildegard Winterhagen. Doch statt mit offenen Armen empfangen zu werden, empfand sie es eher so, als sei ihr verbal die Tür vor der Nase zugeschlagen worden. So sei ihr gesagt worden, dass es ja ihr Problem sei, wenn sie in den Urlaub fahren wolle. An anderer Stelle riet man ihr, 14 Tage vor Abreise anzufragen, ob spontan ein Platz frei wäre. Für die Planung einer Reise ist das natürlich nicht hilfreich. „Ich kam mir vor wie ein Bettler.“
Die 75-Jährige ist schwer enttäuscht von einem System, dem sie durch die Pflege zu Hause viel Arbeit abnimmt. Seit 18 Jahren kümmert sie sich um ihren Mann, der nach einem Schlaganfall, einem Sturz und Infektionen nach Operationen halbseitig gelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen ist. Er braucht Unterstützung beim Anziehen oder beim Waschen, weshalb seine Frau nicht einfach so ein paar Tage wegfahren kann. Nur vier Mal war sie in den vergangenen Jahren verreist. „Und das, obwohl ich pro Jahr 28 Tage Kurzzeitpflege in Anspruch nehmen darf“, sagt sie.
Geschichten wie diese hören die Mitarbeiter von Friederike Oltmer, Geschäftsführerin des Senioren- und Pflegestützpunkt Niedersachsen (SPN) der Stadt Oldenburg, sehr häufig. Auch wenn ihr keine konkreten Zählen vorlägen, sei die Lage bei der Kurzzeitpflege „dramatisch“, sagt sie. Für die Heime seien diese Kurzengagements nicht sehr wirtschaftlich, ein vollstationärer Platz werde besser vergütet.
Auch beim Sozialverband VdK beschäftigt man sich mit dem Thema. „Eine Verbesserung in diesem Bereich ist eine wiederkehrende Forderung an die Politik“, so die Sprecherin des Landesverbandes, Christina Diekmann.
Beim Niedersächsischen Gesundheitsministerium verweist man auf den Koalitionsvertrag. Die Situation in der Pflege soll verbessert werden, indem unter anderem die „Förderung von Versorgungsformen“überprüft werde, so Sprecher Uwe Hildebrandt. Deshalb führe das Ministerium derzeit eine Abfrage bei den Kommunen zur Versorgungssituation durch.
Hildegard Diekmann hat am Ende nur Hartnäckigkeit geholfen. Ihr Mann wird eine Woche in einer Einrichtung in Kayhauserfeld versorgt, damit sie ihren Sohn und die Enkelin in Polen besuchen kann. Für die 75-Jährige ist das ein Geschenk. „Vielleicht ist es ja das letzte Mal, das ich das schaffe.“
Pfle4estützpunkt
Bei Fragen rund ums Älterwerden, Wohnen, Mobilität und Pflege, hilft der Seniorenund Pflegestützpunkt Niedersachsen (SPN) der Stadt Oldenburg an der Straßburger Straße 8. Offene Sprechzeiten sind montags bis freitags, 10 bis 13 Uhr und donnerstags auch 14 bis 17 Uhr. Es können auch Termine vereinbart werden. Beratung am Telefon gibt es unter t23538 80 (Alter/Wohnen) und
t235-37 80 (Pflege).