Schicksalswochen im Freistaat
Lage in Bayern komplizierter ,enn je – Aber jetzt sin, erst einmal Ferien
Für Markus Söder kommt die Sommerpause zur Unzeit. Ausgerechnet jetzt, wo seine CSU auf einem Umfrage-Tiefpunkt angelangt ist, soll der eifrige Spitzenkandidat Ferien machen? Gar ausspannen? Wer den 51-Jährigen kennt, der weiß, dass dies nicht funktionieren kann, zumindest nicht für mehr als ganz wenige, an einer Hand abzählbare Tage. So mancher in der CSU bedauert die Ruhe jedoch gar nicht so sehr: Nach den turbulenten vergangenen Wochen könne die CSU sich ein wenig besinnen, Kraft tanken für den garantiert heißen Herbst, heißt es.
Zweieinhalb Monate vor der Landtagswahl am 14. Oktober ist in Bayern die politische Zukunft offen wie lange nicht. Nicht nur die Zahl der Parteien, die sich realistische Hoffnungen auf den Einzug in den Landtag machen können, ist mit bis zu sieben die höchste seit 1946. Auch die jahrzehntelange Vorherrschaft der CSU, verbunden mit einem Alleinregierungsanspruch, hat heftige Risse bekommen. Den Christsozialen bläst insbesondere wegen ihrer Asyl- und Sicherheitspolitik auch in Bayern ein Proteststurm entgegen, wie es ihn schon lange Jahre nicht mehr gegeben hat.
Als vor wenigen Tagen der Bayerische Rundfunk seine große Umfrage präsentierte, fühlten sich viele in der CSU an den 24. September 2017 erinnert. Wieder blieb die blaue Säule mit dem CSU-Ergebnis in früher kaum denkbaren Tiefen stehen: Nur 38 Prozent der Bayern würden der CSU danach aktuell ihre Stimme geben. Das wären fast zehn Prozentpunkte weniger als 2013, als die CSU mit 47,7 Prozent die absolute Mehrheit der Mandate im Landtag zurückerobern konnte, wenn auch nur knapp.
Diesmal ist es im Freistaat erstmals in der Geschichte realistisch, dass sieben Fraktionen im Plenum nebeneinander sitzen – wenn es FDP und Linke am Ende tatsächlich schaffen sollten. Zum Vergleich: 1982 waren es mit CSU und SPD nur zwei Fraktionen.
Die Zahlen belegen einmal mehr, was seit Jahren in ganz Deutschland und auch in weiten Teilen Europas zu spüren ist: Das Machtgefüge ist empfindlich ins Wanken geraten, ehemals große Volksparteien verlieren massenhaft Wähler an eine wachsende Zahl von zumindest anfangs kleinen Parteien. Anders als SPD und CDU konnte die CSU im konservativen Bayern, und hier zumeist auf dem Land, diese Entwicklung lange ignorieren. Doch die AfD und andere rechtspopulistische Tendenzen haben diese Bastion ins Wanken gebracht.
Für den 14. Oktober ab 18 Uhr und die Zeit danach steht damit nur eines fest: Bayern wird sich politisch weiter verändern. Und auch wenn der nächste Ministerpräsident sicher wieder von der CSU gestellt wird, dürfte auch die Partei vor einer Neuordnung stehen.
Im Asylstreit der vergangenen Wochen hat sich gezeigt, dass der Burgfriede zwischen Söder, Parteichef Horst Seehofer, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und Parteivize Manfred Weber, um nur einige der Beteiligten zu nennen, fragil ist. Hinter den Kulissen wird längst diskutiert, wie es in der Parteihierarchie weitergeht, wenn die CSU unter 40 Prozent rutschen sollte. Nicht nur der Posten des Parteichefs dürfte dann zur Debatte stehen.
Bis zur Wahl ist es aber noch lange hin. Und der jüngsten Umfrage zufolge ist sich mehr als jeder Zweite noch nicht endgültig sicher, wen er am 14. Oktober tatsächlich wählen wird.