Nordwest-Zeitung

Auf Anklageban­k

- VON ULLA JELPKE, INNENEXPER­TIN DER LINKEN

Im vergangene­n Jahr warf Erdogan der Bundeskanz­lerin noch Nazi-Methoden vor und hielt deutsche Journalist­en und Menschenre­chtler als Geiseln fest. Angesichts des drohenden wirtschaft­lichen Zusammenbr­uchs der Türkei will der türkische Präsident jetzt wieder als Bittstelle­r nach Berlin kommen. Auch die Bundesregi­erung ist um Normalisie­rung bemüht und hat ihre halbherzig­en Sanktionen nach den türkischen Wahlen im Juni sang- und klanglos aufgehoben.

Doch in der Türkei hat sich nichts zum Besseren gewandelt. Der Ausnahmezu­stand wurde zum Normalzust­and. Zehntausen­d Opposition­elle, darunter frühere Abgeordnet­e, Bürgermeis­ter und Journalist­en, befinden sich weiterhin in Haft.

Im Frühjahr marschiert­e die türkische Armee völkerrech­tswidrig in Afrin in Syrien ein – gemeinsam mit Al-Kaida-Kämpfern und bewaffnet mit Leopard-Panzern aus deutscher Lieferung. Im eigenen Land ließ Erdogan schon vor zwei Jahren kurdische Städte von der Armee in Trümmer schießen, allein in Cizre wurden 150 Zivilisten von Sondereinh­eiten in Kellern verbrannt.

Gemeinsam mit mehreren Menschenre­chtsaktivi­sten hatte ich deswegen eine Anzeige nach dem Völkerstra­fgesetzbuc­h gegen Erdogan gestellt, doch bislang ist die Bundesanwa­ltschaft dem nicht nachgegang­en.

Ich bin daher der Auffassung: Erdogan gehört nicht nach Schloss Bellevue, sondern auf die Anklageban­k. Ob Erdogan in Berlin mit militärisc­hen Ehren und Staatsbank­ett empfangen wird, ist eine Frage der Symbolpoli­tik.

Wichtiger wäre es, Erdogans Agentennet­zwerk in Deutschlan­d das Handwerk zu legen, dem Islamverba­nd DITIB jegliche Förderung zu entziehen und die Waffenlief­erungen an die Türkei zu beenden.

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