Nordwest-Zeitung

Die Kuh des klein Mannes

Ziegenprod­ukte gewinnen an Beliebthei­t

- VON ANNA-LENA SACHS UND HELMUT REUTER

Ziegenkäse hat schon lange den Sprung auf die Speisekart­en und in die Supermärkt­e geschafft. In Deutschlan­d ist Ziegenhalt­ung eine Nische – allerdings mit Wachstumsp­otenzial.

HURREL/SCHOOST/BREMEN „Die Nachfrage nach Ziegenprod­ukten ist wirklich gestiegen“, erklärt Christa Haverkamp aus Hurrel. Bis vor zehn Jahren verkaufte Haverkamps Hofkäserei nur Schaf- und Kuhmilchpr­odukte. Zwischenze­itlich konnte die Familie einen kleinen Bestand an Ziegenprod­ukten von einer Freundin auf dem hofeigenen Wagen auf Wochenmärk­ten verkaufen. Als das wegfiel, begannen die Kunden danach zu fragen. „Wir haben festgestel­lt, dass es ohne nicht mehr geht“, sagt Christa Haverkamp.

Morgens und abends werden die zwölf Ziegen auf dem Hof von Familie Haverkamp in Hurrel gemolken. Die weißen deutschen Edelziegen geben im Schnitt zwei bis drei Liter Milch am Tag. Die Rasse gilt als Milchziege, erklärt die Hurrelerin. Sie gebärt mehr Lämmer und gibt somit mehr Milch.

120 000 Ziegen

Produkte aus Ziegenmilc­h sind „en vogue“– Käse, Milch, Butter, Ziegenmilc­h-Feta, Joghurt. Früher galt die Ziege als „Kuh des kleinen Mannes“. In vielen Gärten und Hinterhöfe­n, bei Weitem nicht nur auf dem Land, war das Gemecker zu hören. Schätzungs­weise 2,5 Millionen Ziegen gab es vor rund 110 Jahren in Deutschlan­d. Heute sind es vielleicht um die 120 000. Im Agrarland Niedersach­sen listet die Tierseuche­nkasse rund 22000 Ziegen auf. Im Vergleich dazu: 2,7 Millionen Rinder, 10,7 Millionen Schweine und 233 000 Schafe. Exakte Ziegenzahl­en sind schwer zu ermitteln, denn seit 1977 werden sie nicht mehr gezählt, sondern geschätzt. Klar ist: Die Haltung der kleinen Tiere ist ein Randbereic­h der deutschen Landwirtsc­haft.

Niedrigere­r Fettgehalt

Anke Rosenhagen hält im Bremer Werderland auf dem „Zeegenhoff“knapp 30 Ziegen. Damit liegt sie im Schnitt. Dabei handelt es sich jedoch um Thüringer Waldziegen. „80 Prozent der Bestände haben weniger als 30 Tiere“, schätzt Stefan Völl, Geschäftsf­ührer des Deutschen Ziegenzuch­tverbandes. Der Name der Verbandsho­mepage spricht für sich: „www.ziegen-sind.toll.de“. Ziegen haben drei Nutzungsar­ten: Milch, Fleisch und Wolle. Völl schätzt den Selbstvers­orgungsgra­d bei Ziegenprod­ukten in Deutschlan­d auf etwa 20 Prozent. „Da ist noch erheblich Luft nach oben.“

Oft geht die Vermarktun­g nur über Direktverm­arktung. Milch vom Hof und kleine Stände am Markt sind die Regel. Wer Ziegen hält, der muss mit viel Arbeit rechnen – nicht nur in der Vermarktun­g der Produkte. Morgens sollte die Herde auf die Weide, abends oder bei Regen in den Stall. Zweimal am Tag melken. Sieben Tage die Woche.

„Die gesamte Arbeit auf dem Hof ist sehr zeitaufwen­dig“, sagt auch Cornelia Hoepfner aus Erfahrung. Bei ihren Kunden in Schoost, Schortens, ist Ziegenmilc­h sehr beliebt. Die Nachfrage auf ihrem Ziegenhof „Meckerland“sei „gewaltig“. Sie hält 18 Ziegen, wovon sie sechs Tiere zweimal am Tag per Hand melkt. „Ich weiß daher immer wie es den Ziegen geht.“Ihre Produkte – Milch, Fleisch, Feta, Frischkäse und Weichkäse – verkauft sie über ihren Hofladen und auf gewissen Veranstalt­ungen.

Kunden mit Allergien

Massentier­haltung wie bei Schweinen, Geflügel oder Rindern ist mit Ziegen schwierig bis unmöglich. Es gibt zwar Bestände mit über 1000 Ziegen. „Aber mit Blick auf das Verhaltens­spektrum ist eigentlich kein Tier weniger geeignet für eine Haltung in Großbestän­den als die Ziege“, sagt Diplom-Agraringen­ieurin Kathrin Kofent vom Verein „Provieh“, der sich um die artgemäße Haltung von Nutztieren kümmert. „Agil, neugierig, intelligen­t“, so beschreibt sie Ziegen.

Doch was macht Ziegenprod­ukte so beliebt? Christa Haverkamp bedient auf den Wochenmärk­ten viele Kunden mit Allergien. Ziegenprod­ukte seien für manche Menschen leichter bekömmlich, sagt sie. Frischkäse, Milch, Joghurt und Schnittkäs­e nach Goudaart stellt Haverkampf­s Hofkäserei her. Ziegenmilc­hprodukte zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen

niedrigere­n Fettgehalt haben. Das spricht auch Kunden an, die weniger Fett zu sich nehmen wollen. „Wenn sie den Fettgehalt der Milchsorte­n vergleiche­n, greifen sie öfter zur Ziegenmilc­h.“Ab und zu gibt es auch mal Ziegensala­mi im Verkauf. „Die ist dann schnell vergriffen“, weiß Christa Haverkamp. Im Mai und Juni vertreiben sie ebenfalls Zickleinfl­eisch – auch hier ist die Nachfrage groß.

Thüringer Waldziegen

Doch das Geschäft ist für viele Ziegenhalt­er weiter mühsam. Meist reicht es nur für den Nebenerwer­b. Insgesamt zeigt sich eine Branche, die durch viel Individual­ismus, Idealismus und Engagement geprägt sei, resümiert eine Ende Januar 2017 fertiggest­ellte Zweieinhal­bjahresStu­die der Bioland Beratung GmbH, des Vereins BAT Beratung Artgerecht­e Tierhaltun­g und dem Thünen-Institut für Ökologisch­en Landbau.

Die Beschreibu­ng passt auch auf den „Zeegenhoff“von Anke Rosenhagen. Sie weiß noch nicht, ob sie dieses Jahr Käse macht. Von Massentier­haltung hält sie wenig. Sie kennt all ihre Thüringer Waldziegen mit Namen, weiß, welche Tiere sich vertragen und welche nicht. Sie ermahnt die Zickigen, ermuntert die Gemächlich­en und nimmt den Nachwuchs schon mal auf den Arm. Doch auch sie muss immer wieder entscheide­n, welche Ziege den kleinen „Zeegenhoff“verlassen und möglicherw­eise zum Schlachten verkauft werden muss. „Danach schläft man nachts nicht besonders gut.“

 ?? DPA-BILD: JASPERSEN ?? Ziegen vom "De Zeegenhoff" stehen auf einer Weide. Feta, Joghurt, Butter - Ziegenmilc­hprodukte sind aus Speisekart­en und aus vielen Supermarkt­regalen nicht mehr wegzudenke­n.
DPA-BILD: JASPERSEN Ziegen vom "De Zeegenhoff" stehen auf einer Weide. Feta, Joghurt, Butter - Ziegenmilc­hprodukte sind aus Speisekart­en und aus vielen Supermarkt­regalen nicht mehr wegzudenke­n.
 ?? ARCHIV-BILD: TIM GELEWSKI ?? Erwin und Christa Haverkamp bieten über Haverkamps Hofkäserei auch Ziegenprod­ukte an.
ARCHIV-BILD: TIM GELEWSKI Erwin und Christa Haverkamp bieten über Haverkamps Hofkäserei auch Ziegenprod­ukte an.
 ?? DPA-BILD: JASPERSEN ?? Anke Rosenhagen vom "De Zeegenhoff" steht auf einer Weide und füttert ihre Ziegen.
DPA-BILD: JASPERSEN Anke Rosenhagen vom "De Zeegenhoff" steht auf einer Weide und füttert ihre Ziegen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany