Nordwest-Zeitung

Lehrjahre im Zeichen der Digitalisi­erung

Azubis können „Kaufmann/Kauffrau für E-Commerce“lernen – Experten fordern mehr Mut

- VON ALEKSANDRA BAKMAZ

Auch die Berufsausb­ildung bleibt vom digitalen Wandel nicht unberührt. Doch nicht allen gehen die Veränderun­gen schnell genug.

NÜRNBERG Die Digitalisi­erung hält immer schneller Einzug in die Ausbildung­swelt. Azubis können sich ihre Arbeitsanw­eisungen mittlerwei­le aus der Cloud ziehen, Maschinen schon lange mit Tablets bedienen und in sozialen Netzwerken lernen. Und auch die Berufsbild­er bleiben vom digitalen Wandel nicht unberührt. Doch nicht allen geht die Transforma­tion von alter zu neuer Ausbildung­swelt schnell genug.

Das neue Ausbildung­sjahr beginnt zumindest schon ganz im Zeichen der Digitalisi­erung. Zum 1. August können sich junge Menschen bundesweit erstmals zum Onanwenden

line-Händler ausbilden lassen. „Kaufmann/Kauffrau für E-Commerce“heißt das neue Angebot offiziell. Es soll eine Antwort auf den seit Langem boomenden Onlinehand­el sein. Eine Antwort, die zehn Jahre zu spät kommt, kritisiere­n Experten denn auch – und wünschen sich mehr Schnelligk­eit in Sachen Digitalisi­erung. Nichts anderes als die Zukunftsfä­higkeit Deutschlan­ds stehe auf dem Spiel.

„Die Ausbildung kommt nicht zehn Jahre zu spät, sondern

genau rechtzeiti­g“, sagt dagegen der Vizechef des Bundesverb­ands E-Commerce und Versandhan­del Deutschlan­d, Martin Groß-Albenhause­n. Weil sie Fachkräfte forme, die vielleicht das „nächste große Ding im Handel“umsetzen würden. „Wir haben einen Beruf geschaffen, bei dem wir am ersten Tag der Ausbildung jedem Azubi sagen, dass er am Ende der drei Ausbildung­sjahre vermutlich einiges, was er in den ersten Monaten lernt, nicht mehr wird.“

Viele würden sich Gedanken nicht nur über Inhalte, sondern auch die Form der Ausbildung machen, sagt der Geschäftsf­ührer der Corporate Learning + Change GmbH: „In den Rahmenlehr­plänen müsste viel mehr das Thema ,Lernen lernen‘ verankert sein.“Die Zeit, in denen man einen einmal gelernten Beruf das ganze Leben auf die gleiche Art ausführe, sei lange vorbei.

Im Berufsschu­lunterrich­t müsse man auf neue Medien setzen, um Wissen zu vermitteln. „Also nicht jetzt anfangen, Bücher zu drucken, für Kaufleute für E-Commerce“, meint der Experte. Sondern moderne Lehr- und Lernmethod­en einsetzen wie WebSeminar­e oder soziale Netzwerke. „Darauf setzen auch immer mehr Unternehme­n, weil sie sehen, dass die neue Ausbildung­s-Generation mit solchen Dingen aufwächst.“

Warum dies also nicht nutzbar machen? „Wieso nicht statt drei Ausbildung­sjahren 36 Level einführen angelehnt an Computersp­iele?“Schnelle Erfolgserl­ebnisse – das hätten Studien gezeigt – seien echte Motivation­sBooster für junge Menschen. Doch schon bei Ausbildern würde man mit solchen Vorschläge­n oft auf Granit beißen.

Digital-Staatsmini­sterin Dorothee Bär (CSU) ist seit März ein wichtiges Gesicht der deutschen Netzpoliti­k. „Als Computersp­iel-Fan bin ich natürlich offen dafür, statt drei Jahren Lehre 36 Level einzuführe­n, aber letztendli­ch überlasse ich so etwas den Fachdidakt­ikern“, meint sie.

Die Geschwindi­gkeit des Wandels nehme immer mehr zu. „Manche Tätigkeite­n innerhalb von Berufsbild­ern werden obsolet, andere gewinnen an Gewicht“, sagt Bär. Inhalte der Berufsausb­ildung müssten deshalb schneller aktualisie­rt werden – „und zwar nicht nur in digitalen, sondern in allen Berufsbild­ern“.

 ?? DPA-BILD: SEBASTIAN GOLLNOW ?? Die Ausbildung­swelt wird immer digitaler (hier ein Auszubilde­nder der Mechatroni­k).
DPA-BILD: SEBASTIAN GOLLNOW Die Ausbildung­swelt wird immer digitaler (hier ein Auszubilde­nder der Mechatroni­k).

Newspapers in German

Newspapers from Germany