Wende im Prozess um IS-Deutschlandchef
Wichtiger Belastungszeuge soll nach der Sommerpause gegen Abu Walaa aussagen
Cer Zeuge ist einer der Täter des Anschlags auf den Essener Sikh-Tempel. Doch schon vor seinem Gerichtsauftritt in Celle gibt es ein Problem.
CELLE Die Verhaftung des mutmaßlichen Deutschlandchefs der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), Abu Walaa, und vier seiner möglichen Gefolgsleute vor über eineinhalb Jahren war ein Paukenschlag. Endlich hatten die Fahnder offenbar genug in der Hand, um den Iraker festzusetzen, der als „Mann ohne Gesicht“oder „Scheich von Hildesheim“in der islamistischen Szene von sich reden machte.
Vor zehn Monaten begann der Prozess gegen den Prediger und seine vier Gesinnungsgenossen, denen die Anklage das Rekrutieren von IS-Kämpfern insbesondere im Ruhrgebiet und in Niedersachsen anlastet. Inzwischen aber stockt das Verfahren.
Die Anklage und der Prozess am Oberlandesgericht
Celle nämlich stützen sich vor allem auf den Hauptbelastungszeugen Anil O., einen Deutschtürken aus Gelsenkirchen, der als Jugendlicher in islamistische Kreise geriet.
Nach seiner Schilderung vor Gericht reiste er mithilfe von Abu Walaas Netzwerk nach Syrien aus. Später wandte er sich vom IS ab und kooperierte mit den Behörden. Mit seinen „fantastischen Ge- schichten“habe er sich in Deutschland ein mildes Urteil ermöglicht, kritisierte die Verteidigung. Zwar gab O. in tagelangen Zeugenvernehmungen einen detailreichen Einblick in das menschenverachtende Tun des IS, in Bezug auf Abu Walaa blieb aber manche belastende Angabe wackelig.
Darüber hinaus stützt sich der Celler Prozess auf einen VMann des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen, der seit Langem in der islamistischen Szene im Einsatz ist und Abu Walaa auf den Fersen war. Weil die Bundesanwaltschaft „Murat“vor Prozessbeginn hinsichtlich seiner Identität Vertraulichkeit zusicherte, durfte er in Celle nicht vor Gericht befragt werden. Nur die Düsseldorfer LKABeamten, die „Murat“anleiteten, sagten aus und wiederum ließen sich etliche belastende Angaben nicht hieb- und stichfest belegen. Die Verteidigung erhob zudem den Vorwurf, „Murat“habe selbst zu Anschlägen in Deutschland angestachelt. Darauf deuteten auch Aussagen von Kronzeuge O. hin. Das LKA aber wies das vor Gericht zurück.
Für so wackelig hielt die Verteidigung die Beweisführung, dass sie zwischenzeitlich beantragte, Abu Walaa aus der Untersuchungshaft zu entlassen, es gebe keinen dringenden Tatverdacht. Anil O., der Mann, auf den sich die Anklage maßgeblich stützt, sei unglaubwürdig.
Gerade richtig kam da für die Ankläger im April die Nachricht, dass sich ein weiterer Belastungszeuge bei den Behörden gemeldet hat, der nun am 7. August aussagen soll. Der Prozess geht nach der Sommerpause mit der Befragung eines Polizisten bereits an diesem Mittwoch weiter.
Bei dem neuen, wichtigen Zeugen handelt es sich um einen der verurteilten jugendlichen Täter des Anschlags auf einen Tempel der Sikh-Religion in Essen 2016 mit drei Verletzten. Die mutmaßlichen Terrordrahtzieher sollen in Hildesheim und dem Ruhrgebiet über Anschläge, Gewalttaten und die Ausreise von „Brüdern“beraten haben. Der 18-Jährige meldete sich schließlich aus der Haft heraus bei den Behörden mit dem Wunsch, zu den in Celle angeklagten mutmaßlichen Terrordrahtziehern auszusagen. In seinen Aussagen belastet er offenbar alle Angeklagten.
Doch kurz vor Fortsetzung des Prozesses heißt es: Der wichtige Zeuge will schweigen. „Im Prozess gegen Abu Walaa wird mein Mandant von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen“, zitiert die „Neue Presse“den Anwalt des Zeugen, Burkhard Benecken. Der Grund dafür sei, dass er sich getäuscht fühlt. Beamte des LKA hätten den 18-Jährigen zwar über Abu Walaa und Co. ausgehorcht, ihm aber gleichzeitig verschwiegen, dass weitere Terror-Ermittlungen gegen ihn selbst laufen.
HMein Mandant wird von seinem Recht Gebrauch machen, die Aussa e zu verwei ern“ANWALT BENECKEN