Nordwest-Zeitung

Zur Andacht auf den Kutter

Sottesdien­st auf dem Meer wird von Urlaubern sehr geschätzt

- VON JÖRG NIELSEN

Urlauberse­elsorgerin Heike Pendias organisier­t die Fahrten mit der „Gorch Fock“. 9eegang und Wetter müssen mitspielen.

NEUHA6LING­E6SIEL Gleich hinter der Hafenmole atmet Karin Jachow tief durch und lächelt. „Endlich wieder auf dem Meer!“Zusammen mit ihren Kindern Leon und Laura und weiteren 47 Urlaubern fährt sie zu einer abendliche­n Andacht an Bord des Krabbenkut­ters „Gorch Fock“vom ostfriesis­chen Neuharling­ersiel aus hinaus auf die Nordsee. „Ich bin Wiederholu­ngstäterin“, gesteht die Mutter aus der Nähe von Düsseldorf.

Vor sieben Jahren sei sie schon einmal mit der „Gorch Fock“zur Andacht hinausgefa­hren, sagt sie. „So ein Gottesdien­st in freier Natur gibt eine Ahnung von Gottes Schöpfung. Ein tolles Erlebnis“, schildert sie ihre Gefühle. Eigentlich hat sie nur selten Kontakt zur Kirche. „Doch das Beten bei See- und Wellengang hat mich beeindruck­t, das ist tief in meinen Erinnerung­en verankert.“

Doch an diesem Abend ist die Nordsee völlig ruhig. Nur wenige unter den Gästen halten angestreng­t den Blick auf den Horizont geheftet, um die sich ankündigen­de Seekrankhe­it unter Kontrolle zu halten. Einige sind zum ersten Mal „auf hoher See“. Sie lassen ihren Blick über die sanften Wellen schweifen. Immer wieder fällt dabei ihr Blick auf das Schild über dem Steuerhaus. Dort steht geschriebe­n: „Gott mit uns.“

„Normalerwe­ise spritzt die Gischt über die Reling. Da wird man auch mal etwas nass“, sagt die evangelisc­he Urlauberse­elsorgerin Heike Pendias und lacht. Seit 2002 fährt sie unter dem Kommando von „Käpt’n Willy“mit der „Gorch Fock“alle 14 Tage zwischen Juni und August hinaus zur Abendandac­ht auf

der Nordsee – so lange Seegang und Wetter mitspielen. Die Karten für die 50 Plätze an Bord gibt es nur im Kirchenzel­t auf dem Campingpla­tz und sie sind stets ruckzuck vergeben. „Wir wollen die Leute ins Gespräch bringen. Wenn sie sich nach so einem Törn wieder treffen, haben sie genug zu erzählen“, berichtet die Diakonin.

Auf dem Meer ist es für viele Menschen leichter, sich auf ein Gebet oder eine Andacht

einzulasse­n, hat sie beobachtet. „Der Kontakt mit der Natur ist einfach viel direkter und intensiver.“Außerdem sei es so viel leichter, auch Männer für ein Gebet zu begeistern.

In der Zeltkirche auf dem Campingpla­tz arbeitet Pendias mit einem ehrenamtli­chen Team bei der „Kirche-Unterwegs“zusammen. „Wenn es dort ans Beten geht, sind die Männer schnell verschwund­en“, sagt sie. „An Bord ist weglaufen ja schwierig – und plötzlich können sich die Männer darauf einlassen – erstaunlic­h oder?“

Gut zwei Stunden dauert die Fahrt von Neuharling­ersiel Richtung Spiekeroog und Langeoog. Im Windschatt­en der Inseln stoppt „Käpt’n Willy“den Motor. Hier ist die See ruhig genug, und Heike Pendias greift zur bis dahin gut geschützte­n Gitarre. Auch bei den letzten Gästen siegt die Begeisteru­ng über das leichte Unwohlsein – jetzt, wo Hände und Augen keinen Halt mehr

brauchen. „Wir sollen Gott vertrauen und unser Leben in seine Hände geben“, sagt die 18-jährige Tabea aus Remscheid, die zusammen mit ihrer Mutter Anja Günther die Andacht hält. Die beiden verstärken in diesem Jahr das Kirche-Unterwegs-Team von Heike Pendias auf dem Campingpla­tz.

Zurück geht die Fahrt vorbei an den Seehundbän­ken vor Langeoog. Nur wenige Meter entfernt liegen hier die Robben, dicht an dicht aufgereiht in den letzten Strahlen der bald untergehen­den Sonne. Joachim Haas aus Hannover ist mit seiner Familie zum ersten Mal bei der Kutteranda­cht. „Das war schon ein spezielles Erlebnis. Selten hat mich etwas so angerührt.“

Nach dem Törn fällt der sichere Gang auf dem wieder festen Boden in Neuharling­ersiel nicht ganz leicht. Doch Heike Pendias ist zufrieden: „So etwas bleibt auch im Alltag nach dem Urlaub im Gedächtnis.“

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BILG: KIRCHENGEM­EINGE NEUHARLING­ERSIEL „Gott mit uns“: Auf dem Fischkutte­r „Gorch Fock“finden Andachten der evangelisc­hen Kirchengem­einde Neuharling­ersiel statt.
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BILG: KIRCHENGEM­EINGE Heike Pendias Andachten organisier­t

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