Nordwest-Zeitung

Igel sortiert Teller und Tabletts

Redakteuri­n entdeckt als Aushilfe unbekannte Größenordn­ungen in Mensa-Küche

- FON HEIDI SCHARVOGEL

Cie :ilatschüss­eln sind so groß wie kleine Badewannen. Und damit für 3500 Essen pro Tag nicht überdimens­ioniert.

OLDENBURG Zu spät! Als ich um neun Uhr in der Küche der Uni-Mensa in Oldenburg am Uhlhornswe­g ankomme, sind die Vorbereitu­ngen schon fast abgeschlos­sen: Die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r des Studentenw­erks Oldenburg, das die Mensa betreibt, haben unter anderem 135 Kilogramm Möhren und 30 Kisten Blumenkohl gewaschen, geputzt und geschnitte­n und eine Mengenmull­e mit grünem Salat mit Paprikastü­cken gefüllt. So eine Mulle sieht etwa aus wie eine kleine Badewanne aus Edelstahl mit vier Beinen auf Rädern. Das Schneiden des Gemüses übernimmt eine Maschine. „Das lohnt sich aber nur für größere Mengen. Bei drei Salatköpfe­n käme am Ende kaum was heraus“, sagt Koch Thomas Stubbemann.

Warum ich so spät antanze, wenn das Küchenpers­onal doch viertel vor sieben mit der Arbeit beginnt? Wegen meines Mama-Jobs: Ich musste erst zwei Kinder rechtzeiti­g zum Schulbegin­n aus dem Haus kriegen.

Außerdem brauchte ich passende Mensaperso­nalKlamott­en. Mensaleite­r Matthias Arndt musterte mich kurz und meinte: „Anja Schmidt.“Die graue Chinohose und das bordeauxro­te Polohemd passen – nur das Namensschi­ld nicht. Ohne Einweisung in Hygiene- und Gesundheit­svorschrif­ten darf ich natürlich auch nicht in die Küche.

Spezialtop­f für Püree

Alles ist aber doch nicht gelaufen bis ich anfange. Die 80 Kilo Kartoffeln fürs Püree sind in einem speziellen Riesentopf mit extra Hahn zum Ablassen des Kochwasser­s gegart worden. Das Gerät ist so groß wie eine Single-Spülmaschi­ne. Das Schneidwer­k im Inneren verwandelt die Kartoffels­tücke in Brei. Thomas Stubbemann kippt noch 20 Liter Milch aus Zehnliters­chläuchen dazu. Das Salz kommt aus einem Rollcontai­ner, der bis zu 70 Kilogramm fasst. Etwas Muskatnuss darf auch nicht fehlen, plus zwölf Kilogramm Frühlingsz­wiebeln.

Die Pfannen zum Dünsten, Braten und Kochen sind viereckig und fast so groß wie

Sitzbadewa­nnen. Sie stehen auch nicht auf dem Herd, sondern sind oben in diesen eingelasse­n. Mithilfe einer Kurbel können einige gekippt werden – sehr praktisch, um zum Beispiel die Frühlingsz­wiebeln rauszuhole­n.

Als nächstes ist die Mulle mit dem Salat dran. Zu viert füllen wir circa 800 Schälchen damit. Im Durchschni­tt werden in der Mensa Uhlhornswe­g täglich etwa 3500 Essen verkauft. Im Winter sind es auch mal 4500 pro Tag.

Bevor um 11.30 Uhr die Essenausga­be startet, haben die Mensa-Mitarbeite­r Mittagspau­se. Das Angebot umfasst drei Classic-Hauptgeric­hte plus verschiede­ne Beilagen, zwei Pasta- sowie ein Veggie/ Veganes Essen, Suppe, Salate und zwei verschiede­ne Desserts. Für mich soll es das Geflügel-Hacksteak mit PusztaSauc­e, Reis, Möhrengemü­se und ein Salat sein. Aus längst vergangene­n Studienzei­ten weiß ich, dass das Essen hier echt gut schmeckt – Großküche hin oder her. Auch diesmal werde ich nicht enttäuscht.

Frisch gestärkt gehtQs zur Essenausga­be. Ich bin in der Ausgabe Classic eingeteilt, zusammen mit Sandra Brunken und Mbala Mabibi. Sandra Brunken zeigt mir, wie viel Möhrengemü­se, Spinat, Reis, Kartoffelp­üree, Champignon­Cremesuppe und Kartoffels­palten jeweils in eine Schale sollen und wohin diese müssen,

damit sie auch unter einem Wärmestrah­ler stehen. Diese heizen nicht nur dem Essen ein. Zusammen mit den Warmhaltes­chalen bringen sie auch uns zum Köcheln.

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„Beim Reis und dem Püree reicht es, wenn du zwei volle Schalen vorbereite­st, bei den Kartoffels­palten sollten es vier sein – sobald mehr los ist auch sechs“, rät Sandra Brunken. „Frittierte­s geht wie Hölle“, hatte mir auch Matthias Arndt bei einem Küchenrund­gang schon verraten. Bei Pommes oder Kartoffels­palten kommen die beiden 80 Liter-Fritteusen nicht nach. Die fertigen Pommes müssen im Ofen

zwischenge­lagert werden.

„Das Hähnchensc­hnitzel ist paniert. Deshalb muss die Sauce daneben“, zeigt mir Mbala Mabibi. Außerdem müssen noch Rührei mit Petersilie und Kochschink­enstreifen, das Hacksteak mit Soße sowie zwei verschiede­ne Eintöpfe auf Tellern angerichte­t werden. Nicht zu vergessen die Tabletts mit Salat- und Dessertsch­älchen, die auch immer wieder aufzufülle­n sind. Da kommt keine Langeweile auf.

Ist das Essen verputzt, wandert das Geschirr in den Spülvollau­tomaten: ein inklusive Förderband circa zehn Meter langer, drei Meter breiter und zwei Meter hoher Edelstahlk­asten. Vorn läuft

das Band mit den Tabletts rein. Das Besteck wird mittels Magnet aussortier­t. Tabletts und Geschirr laufen über den so genannten Igel, der Teller, Schälchen und Tabletts in die jeweilige „Waschstraß­e“bugsiert. Der Igel ist eine grüne Rolle mit gelben, stumpfen Plastiksta­cheln.

„Die Trennung funktionie­rt nur, wenn auf den Tabletts nicht mehr als ein Teller, drei Schälchen und Besteck liegen“, sagt Arndt. „Das müssen wir den Studierend­en vermitteln. Denn wenn das Gerät steht und die 850 Sitzplätze jeder bis zu fünfmal besetzt sind, dann brennt die Bude.“Um das möglichst zu verhindern, steht eine Mitarbeite­rin am Band vor dem Vollautoma­t und sortiert nach.

Abwa5chen ;it Schlauch

An der Ausgabe Classic fallen mittlerwei­le leere Behälter an, in denen das Essen warmgehalt­en wird. Sie landen im Spülbereic­h auf dem Boden und werden zuerst mit einem Wasserschl­auch mit Sprühkopf abgespritz­t. Sprühnebel und Dampf aus den Spülmaschi­nen sorgen für ein tropisches Klima.

Sind die Essensausg­aben geschlosse­n, heißt es fegen, wischen, desinfizie­ren und polieren. Feierabend – für die Teilzeitkr­äfte und mich um 14.30 Uhr, die Vollzeitkr­äfte schrubben noch bis 15.15 Uhr.

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BILD: STUDENTENW­ERK OLDENBURG Helfen fürs Foto: Normalerwe­ise kippt Koch Thomas Stubbemann die zwölf Kilogramm Frühlingsz­wiebeln natürlich ohne Unterstütz­ung in den Spezialtop­f fürs Kartoffelp­üree.
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BILD: STUDENTENW­ERK OLDENBURG Essensausg­abe: Sandra Brunken (li.) hat mir gezeigt, wie viel Rührei auf den Teller muss.

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