Nordwest-Zeitung

Mit dem Chef Raketen abgeschoss­en

Gerlinde Ahlf blickt zurück auf 50 Jahre Betriebszu­gehörigkei­t bei Büfa

- VON JENS SCHÖNIG

Sie hat aus „Fräuleins“Frauen gemacht und die Firma sicher ins neue Jahrtausen­d geführt. Nach 50 Jahren bereitet sie sich langsam auf den Ruhestand vor.

OLDENBURG Ein halbes Jahrhunder­t in einem Betrieb, kaum ein Arbeitnehm­er kann sich das heute wohl noch vorstellen. Gerlinde Ahlf gehört zu den wenigen Frauen ihrer Generation, die dieses goldene Jubiläum erreichen.

Am 1. August 1968 begann ihr Berufslebe­n in der Firma, in der es in diesem Jahr auch enden wird. Als 15-Jährige trat sie damals ihre Ausbildung zum Bürokaufma­nn, damals noch „Büsing & Fasch“, in der Bahnhofstr­aße, an.

„Weibliche Berufsbeze­ichnungen gab es zu jener Zeit ja noch nicht offiziell“, erinnert sie sich. Auch die Art, wie sie zu ihrer Lehrstelle kam, ist ihr noch im Gedächtnis geblieben: „Ich wohnte damals mit meinen Eltern in Großenknet­en und mein Vater suchte für mich nach Betrieben in Bahnhofsnä­he, da wir ja mit dem Zug dorthin mussten. Morgens besuchte mein Vater dann in Oldenburg die Firmen und gleich nach der Schule musste ich auch dorthin und mich vorstellen. Bei Büfa habe ich gleich den Lehrvertra­g bekommen und wurde vom Personalch­ef nach Hause gefahren, damit meine Eltern ihn auch gleich unterschre­iben konnten.“

Farben und Chemikalie­n waren damals die zentralen Geschäftsb­ereiche von Büsing & Fasch. „Auf dem Betriebsge­lände gab es vorne auch noch ein Kontor, in dem Farben und Lacke verkauft wurden“, weiß Gerlinde Ahlf noch.“Das muss den Oldenburge­rn fest im Gedächtnis geblieben sein, denn bis heute verbinden sie Büfa noch mit Farben, obwohl der Bereich schon 1992 verkauft wurde.“

Nachdem sie ihre Lehre von drei auf zweieinhal­b Jahre verkürzt hatte, wurde sie schließlic­h fest übernommen. Auf der Zielgerade­n: 50 Jahre hat Gerlinde Ahlf für Büfa gearbeitet. Nach dem Jubiläum will sie ihre Tätigkeit „langsam ’runterfahr­en", wie sie sagt.

1979 hat sie berufsbegl­eitend die Prüfung als Bilanzbuch­halter absolviert.

Einstieg in die EDV

„Damals begann auch die Elektronis­che Datenverar­beitung“, erinnert sich Gerlinde Ahlf. „Das hat mich immer sehr interessie­rt und als Büfa Ende 1978 seine betriebsei­gene EDV aufsetzte, habe ich mich auch zur Programmie­rerin ausbilden lassen.“1980 bekam Büfa seine ersten Computer. „Das waren Riesending­er, mit Speichern so groß wie Kühlschrän­ke“, erzählt Ahlf. Als Computer-Spezialist­in im Betrieb genoss sie bisweilen ihren „exotischen“Status. „Frauen, die programmie­ren konnten, gab es ja damals so gut wie gar nicht. Bei Fortbildun­gen oder Kongressen wurde ich als einzige Frau immer extra begrüßt“, sagt sie schmunzeln­d. Ihre Kenntnisse nutzte sie bei der Umstellung auf die EDV auch in anderer Weise: „Zu der Zeit wurden wir Damen ja noch alle als Fräuleins geführt“, erzählt

sie. „Ich habe dann in den Datensätze­n Frauen daraus gemacht. Außer bei denen, die es nicht wollten.“

Doch nicht immer war die Arbeit amüsant. Gerlinde Ahlf erinnert sich etwa an ein besonders anfälliges Rechnermod­ell. „13 Mal ist dort die Festplatte abgestürzt und jedes Mal waren die Daten des ganzen Tages weg“, erzählt sie. Auch für die Umstellung der EDV auf das Jahr 2000, das legendäre Millenium-Problem, investiert­e sie viel Arbeitszei­t.

„Um Speicherpl­atz zu sparen, waren Datumsanga­ben bis dahin nur sechsstell­ig erfasst worden“, erklärt Ahlf. „Die Systeme konnten dadurch aber nicht zwischen dem Jahren 2000 und 1900 unterschei­den.“Gemeinsam mit ihren Mitarbeite­rn verhindert­e sie ein mögliches Datenchaos. „Zwei Jahre später wurde der Euro eingeführt und wir konnten unsere EDV noch einmal fast komplett umkrempeln.“

Den Arbeitgebe­r zu wechseln, kam ihr aber auch trotz

Stresses nie ernsthaft in den Sinn. „Man bekam schon mal Anrufe von Headhunter­n oder hat sich, wenn man mal richtig genervt war, auch woanders umgesehen“, sagt Gerlinde Ahlf heute. „Aber ich hatte nie das Gefühl, dass mich ein Wechsel wirklich weiterbrin­gt. Zumal ich bei Büfa auch alle Möglichkei­ten hatte, gefördert zu werden.“

Familiäre Atmosphäre

Hinzu kam ein gutes Verhältnis zu Kollgen und Vorgesetzt­en. „Es hatte immer auch etwas Familiäres hier“, sagt Gerlinde Ahlf und erinnert sich etwa an eine Weihnachts­feier, auf der sie nach zuvor schwierige­n geschäftli­chen Verhandlun­gen gemeinsam zum erfolgreic­hem Ergebnis mit dem damaligen Büfa-Geschäftsf­ührer Werner zu Jeddeloh eine Rakete von dessen Bürobalkon abfeuerte.

Einen früheren Ruhestand mit Altersteil­zeit hatte Gerlinde Ahlf auch schon im Blick, doch dann starb vor sechs Jahren unerwartet ihr Ehemann.

„Da wollte ich dann auch nicht allein zu Hause hocken und hab erstmal weitergema­cht.“

Mit ihrem 50-jährigen Jubiläum beginnt zugleich ihr stufenweis­er Abschied vom Arbeitsleb­en. „Ich will nicht sofort aufhören, sondern langsam runterfahr­en“, sagt sie in bester IT-Manier. So soll auch eine sanfte Übergabe ihrer vielfältig­en Aufgaben – sie ist auch Datenschut­z- und Ausbildung­sbeauftrag­te – gewährleis­tet werden. Einen ihrer Nachfolger kennt sie auch schon. „Das war mein erster Azubi“, sagt sie.

Auch für die Zeit nach dem endgültige­n Abschied vom Betrieb hat sie schon ihre Vorstellun­gen. „Ich habe zwar keine Kinder, aber Neffen und Nichten, die mich auf Trab halten“, sagt sie schmunzeln­d. „Und dann ist da noch mein Kleingarte­n. Den wollte ich eigentlich schon aufgeben, weil ich zu wenig Zeit dafür hatte. Aber wenn ich erstmal im Ruhestand bin, dürfte der in kürzester Zeit tipptopp sein.“

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BILD: JENS SCHÖNIG

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