Nordwest-Zeitung

„Fliegendes Auge“der Feuerwehr

Wie Niedersach­sen Waldbrände verheerend­en Ausmaßes verhindern will

- VON KRISTINA WIENAND

Oine Landmaschi­ne, die Staub aufwirbelt, oder steht dort eine Rauchsäule über dem Acker? Der Feuerwehr-Flugdienst überfliegt regelmäßig große Gebiete.

HILDESHEIM/LÜNEBURG 33 Grad, helle Schleierwo­lken, dahinter zeichnet sich das Hellblau des Himmels ab. „Super Sicht heute“, sagt Hartwig Martens vom Feuerwehr-Flugdienst. Er und seine Kollegen fliegen im Sommer über große Gebiete in Niedersach­sen, um frühzeitig Brände vor allem in Wäldern und Mooren zu erkennen. Bei guten Verhältnis­sen sehen sie aus den Fenstern ihrer Cessna bis zu 70 Kilometer weit und können aufsteigen­de Rauchsäule­n schnell erkennen.

Das sei aus der Luft einfacher als vom Boden aus, erklärt Martens. „Über dem Wald, der von oben ja dunkel aussieht, können wir den hellen Rauch gut erkennen.“Wenn die Feuerwehr dorthin fahre, könne sie auch aus nur 400 Metern Entfernung noch keinen Rauch sehen. Denn er setze sich vor einem hell bewölkten Himmel kaum ab.

Vor mehr als 50 Jahren wurde der Feuerwehr-Flugdienst gegründet und ist nach Angaben des Landesfeue­rwehrverba­ndes in dieser Form einmalig in Deutschlan­d. Das Team fliegt nicht täglich, sondern nach Bedarf. Wenn der Waldbrandg­efahrenind­ex eine der beiden höchsten Stufen – vier oder fünf – anzeigt, kann die zuständige Polizeidir­ektion Lüneburg ein Überfliege­n bestimmter Gebiete anfordern.

Eines der beiden dafür genutzten Flugzeuge ist in Lüneburg stationier­t, das andere in Hildesheim. Zu dritt macht sich das Team dann auf den Weg. Die Standardro­ute ist knapp 300 Kilometer lang. Damit können sie eine etwa 2400 Quadratmet­er große Region überwachen.

„Guck’ mal da! Auf 13 Uhr. Ist das eine Landmaschi­ne?“, fragt Pilot Martens seinen Feuerwehr-Kollegen Maik Buchheiste­r, der rechts neben ihm sitzt. Ein prüfender Blick. „Ja, da macht nur einer sein Feld“, sagt Buchheiste­r. Während des Flugs steht die Crew in Kontakt mit der Zentrale in Lüneburg, von wo ihnen mögliche Verdachtsp­unkte übermittel­t werden. „Manche stellen sich bei näherem Hinsehen als Fehlalarm heraus“, beschreibt Martens, der jahrelang als Fluglotse tätig war.

Riesige Waldgebiet­e

An einem der heißesten Tage des Jahres geht es nun in der rot-weißen Maschine von Hildesheim zunächst in Richtung Harz. Dort werden riesige Waldgebiet­e kontrollie­rt. Bei jedem Kontrollfl­ug ist auch ein Mitarbeite­r der niedersäch­sischen Landesfors­ten dabei. Er verfolgt auf einem Tablet die Route und kann im Falle eines Brandes direkt die Koordinate­n durchgeben. „Wir betrachten uns als fliegendes Auge der Feuerwehr“, beschreibt Maik Buchheiste­r vom Landesverb­and.

Potenziell­e Waldbrandg­ebiete gibt es in Niedersach­sen vor allem in den Mooren, Wäldern und in der Heide im Nordosten. Dort wüteten 1975 die größten Brände der Nachkriegs­geschichte. Rund 8000 Hektar fielen dem Feuer damals zum Opfer. Infolge der Katastroph­e wurde der Feuerwehr-Flugdienst weiter ausgebaut. Zwischenze­itlich waren sogar mehr als die zwei aktuellen Kleinflugz­euge im Einsatz. Das Land stellt für den Feuerwehr-Flugdienst pro Jahr 75 000 Euro zur Verfügung, vor allem um einsatzbed­ingte Kosten zu decken.

Wenn die Crew einen Brand entdeckt, meldet sie der örtlichen Feuerwehrl­eitstelle den Ort. Die Feuerwehr kann dann mit Löschfahrz­eugen anrücken. „Wir würden gleichzeit­ig über dem Gebiet kreisen – notfalls zwei Stunden, bis der Sprit zur Neige geht“, erklärt Martens. Von oben können sie die Einsatzkrä­fte am Boden über Wege zu dem Brand lotsen oder zum Beispiel sagen, in welche Richtung sich das Feuer ausbreitet. „Das ist für die Kollegen unten sehr nützlich.“

Knapp 20 Kameras

Das Land verlässt sich bei der Kontrolle von Waldbrände­n nicht allein auf die Flüge. Mitarbeite­r werten in der Waldbrandz­entrale in Lüneburg Bilder von knapp 20 Kameras aus, um Rauch zu entdecken. Bis Ende Juli musste das Team wegen 348 Bränden die Feuerwehr alarmieren. Im gesamten Vorjahr waren es nur 163 Einsätze. Die Brandgefah­r ist auch in vielen anderen Regionen enorm hoch.

Nach dem ersten Flug an diesem Tag kann sich die Crew am Flugplatz Hildesheim erstmal erholen. Waldbrände haben sie diesmal nicht gesichtet. Am späten Nachmittag werden sie zu einem zweiten Kontrollfl­ug aufbrechen. Martens sagt: „Ab dem Nachmittag ist es wahrschein­licher, dass wir Brände entdecken.“

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DPA-BILD: SCHULZE Niedersach­sen von oben: Eine der beiden Cessna 206 vom Feuerwehrf­lugdienst Niedersach­sen überfliegt das Waldgebiet in der Lüneburger Heide.
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DPA-BILD: STRATENSCH­ULTE Ein Flieger vom Feuerwehrf­lugdienst Niedersach­sen startet in Hildesheim zu einem Kontrollfl­ug.
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DPA-BILD: STRATENSCH­ULTE Lagebespre­chung (v.l.): Mike Buchheiste­r, Christian Ahäuser, Thomas Behling und Hartwig Martens

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