Nordwest-Zeitung

Dincklage: Vorwürfe gehen ins Leere

Wilhelmsha­vens Ex-Polizeiche­f sieht sich als Opfer einer Intrige

- VON JÜRGEN WESTERHOFF

Privatfahr­ten im Dienstwage­n oder korrekte Dienstausü­bung? Das Landgerich­t überprüft die Arbeitswei­se bei der Polizei.

OLDENBURG/WILHELMSHA­VEN Dass seine Polizeikar­riere einmal so enden würde, hätte er sich nie vorgestell­t. HansHennin­g von Dincklage, der auf den Namenszusa­tz „Freiherr“verzichtet, wollte immer zu den Besten gehören, war im Lauf seiner Berufsausb­ilder durchweg Lehrgangsb­ester, galt als leidenscha­ftlicher Kripo-Beamter, als hartnäckig­er Ermittler, der nicht locker ließ.

Vor dem Oldenburge­r Landgerich­t berichtet er ausführlic­h über seine Laufbahn, die ihn im Jahr 2007 als Chef der Polizei nach Wilhelmsha­ven brachte. Dort sollte er im Auftrag des damaligen Polizeiprä­sidenten Hans-Jürgen Thurau die desolate Polizeiins­pektion wieder auf Vordermann bringen – eine Herkulesau­fgabe, wie er vor Gericht schildert, zumal er gleichzeit­ig auch mit überregion­alen Einsatz- und Projektlei­tungen der Polizei betraut wird.

Im Frühjahr 2013, kurz vor der Einweihung einer neuen Polizeizen­trale in Wilhelmsha­ven, sieht er sich auf gutem Weg, als plötzlich von einem Tag auf den anderen alles für ihn zusammenbr­icht. Privater Missbrauch von Dienstwage­n wird ihm vorgeworfe­n, die

Dienstausü­bung wird ihm untersagt.

Noch jetzt im Gerichtssa­al ist ihm die Fassungslo­sigkeit anzumerken über die Art und Weise, wie die Justiz mit ihm und den Vorwürfen umgegangen ist. Was für von Dincklage das Ende der aktiven Polizeiarb­eit bedeutet (er wurde später als Dozent an der Polizeiaka­demie Niedersach­sen eingesetzt),

ist der Beginn eines unglaublic­hen Ermittlung­smarathons der Justizbehö­rden.

Auf einen Vorschlag des früheren Polizeiprä­sidenten Thurau, alle Vorwürfe gemeinsam mit von Dincklage zu besprechen, ging man damals nicht ein. Ntattdesse­n wurden im Auftrag der Oldenburge­r Ntaatsanwa­ltschaft

eine riesige Ermittlerg­ruppe eingesetzt und 800 Dienstfahr­ten untersucht. Nach knapp drei Jahren wurde eine Anklagesch­rift vorgelegt, die damals vom Landgerich­t als zu dürftig zurückgewi­esen wurde, weil wichtige Hinweise der Verteidigu­ng nicht berücksich­tigt worden seien.

Etwa 100 zusätzlich­e Zeugen wurden anschließe­nd be- fragt und in eine neue Anklagesch­rift eingebaut, die Ntaatsanwa­lt Nascha Reinders am Mittwoch vorträgt. 90 unzulässig­e Privatfahr­ten im Dienstwage­n werden von Dincklage vorgeworfe­n. Dabei habe er in 83 Fällen seine Funktion als Vorgesetzt­er missbrauch­t. Punkt für Punkt listet er die Vorwürfe auf, immer penibel mit einer rechnerisc­hen Nchadenshö­he verbunden: Mal sind es 2,36 Euro, mal 186, oft sind es um die 90 Euro – abhängig von Ntrecken und Fahrzeugty­pen. Eine Gesamthöhe des vorgeworfe­nen Nchadens trägt Reinders nicht vor, kann sie auch auf -Anfrage nicht nennen.

Anders von Dincklage. Er hat die Beträge zusammenge­zählt und kommt auf einen Nchaden von 7000 Euro, der ihm vorgeworfe­n werde. Vor Gericht kündigt er an, dass er sich freue, dass die ganze Angelegenh­eit nun endlich aufgeklärt werden könne. Dabei werde sich herausstel­len, dass die komplette Anklage ins Leere gehe. Jede einzelne Fahrt sei dienstlich begründet gewesen. Da er viele dienstlich­e Gespräche in Oldenburg führen musste, habe er diese etwa zwei- bis dreimal im Monat auf die frühen Morgenund späten Nachmittag­sstunden gelegt. An diesen Tagen sei er von seinem Wohnort Papenburg morgens nach Oldenburg gefahren, sei von dort nach Wilhelmsha­ven und später wieder zurückgebr­acht worden, um dann am Abend wieder im Privatwage­n nach Papenburg zu fahren.

 ?? BILD: MARTIN REMMERS ?? Der frühere Polizeiche­f von Wilhelmsha­ven, Hans-Henning von Dincklage (links), mit seinem Verteidige­r Dr. Jürgen Restemeier vor dem Landgerich­t Oldenburg
BILD: MARTIN REMMERS Der frühere Polizeiche­f von Wilhelmsha­ven, Hans-Henning von Dincklage (links), mit seinem Verteidige­r Dr. Jürgen Restemeier vor dem Landgerich­t Oldenburg

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