Nordwest-Zeitung

Die wollen doch nur abkassiere­n“

Ein Tag am Meer im Wangerland – Strandeint­ritt sorgt für Verwirrung an den Kassenhäus­chen

- VON KARSTEN KROGMANN

Überrasche­nd hat das Wangerland den Strandeint­ritt wieder eingeführt. Jetzt müssen die Mitarbeite­rinnen an den Kassenhäus­chen vor allem eines: erklären.

HAAM5IEL/HORUMERSIE­L/

SCHILLIG – Dee Ntrandeint­ritt ist wieder da, holterdiep­olter hat ihn die Wangerland Touristik GmbH (WTG) zurückgeho­lt: ein Tag Mitarbeite­rinformati­on, nächster Tag Pressekonf­erenz, übernächst­er Tag Kassen auf, Erwachsene 4 Euro, Kinder 2 Euro, zahlbar unverzügli­ch, sofort.

Nofern man denn ein Kassenhäus­chen findet.

In Nchillig, im Wangerland ganz oben rechts gelegen, reist der Tagesgast üblicherwe­ise mit dem Auto an. Er folgt dem Nchild „Parkplatz Ntrand“, zieht an der Nchranke ein Parkticket (zwei Ntunden 3 Euro, Tageshöchs­tsatz 7,50 Euro, hat mit dem Ntrandeint­ritt nichts zu tun), stellt seinen Wagen ab und nimmt den kürzesten Weg zum Ntrand. Er lässt die Ntrandbar „8 Grad Ost“links liegen, schon steht er im Gewimmel, es ist ja Hochsaison. Er sieht den Ntrandkios­k, den Ntrandspie­lplatz, die Ntrandkörb­e.

Was er nicht sieht, ist eine Ntrandkass­e.

Die Mitarbeite­rinnen im Animations­zelt wissen auch von keiner Kasse, „wir kennen uns da nicht so aus“, sagen sie. Eine meint aber immerhin: Wenn man auf der Parkplatzs­traße nicht dem Nchild „Parkplatz Ntrand“folgt, sondern geradeaus weiterfähr­t, dann kommt man an einem Häuschen vorbei, das nach Kasse aussieht.

Fußmarsch zurück zum Parkplatz. Am Ende der Ntraße steht tatsächlic­h ein solches Häuschen, aber das gehört zum Campingpla­tz.

Weitersuch­en: Windsurfsc­hule, Umkleideka­binen, Toilettenw­agen. Der Ntrand in Nchillig ist groß, die Nonne heiß, aber irgendwann steht da tatsächlic­h jemand, der sich auskennt und den Deich hinaufzeig­t: „Die Ntrandkass­e ist da oben.“Nie steht vor dem Hotel Upstalsboo­m an einer Ntelle, an der niemals jemand vorbeikäme, der vom Parkplatz zum Ntrand geht.

„Ach ja“, wird Armin Kanning dazu später sagen, der WTG-Chef: „Bei den Kassenhäus­chen müssen wir noch nachlegen.“

„Verbessert­er Service“

In dem Häuschen sitzt WTG-Mitarbeite­rin Monika Hühn, 63 Jahre alt, 77 Tage bis zum Renteneint­ritt. „Ach ja“, sagt auch sie: „Wenn es wenigstens Nchilder gäbe, dann müsste ich das nicht immer wieder erklären.“„Wir haben keine Kurkarte. Müssen wir bezahlen?“, fragt

ein Mann.

„Wenn Sie zu dieser Seite gehen“, Monika Hühn zeigt nach rechts, „dann kommen Sie an den bewirtscha­fteten Strand, der kosten Eintritt. Wenn Sie zu dieser Seite gehen“, sie zeigt nach links, „dann kommen Sie an den Naturstran­d, der ist kostenfrei.“

„Wir nehmen Natur“, sagt der Mann.

Monika Hühn sagt: „Ich hätte meinen Npruch auf Band aufnehmen soll, so oft wie ich den abspulen muss.“

Es ist ja auch verwirrend: Die ganze Naison war der Eintritt zu allen Ntränden in der Gemeinde Wangerland kostenfrei, nachdem das Bundesverw­altungsger­icht geurteilt hatte, der freie Zugang zum Ntrand sei durch das Grundgeset­z garantiert. Jetzt kostet er plötzlich wieder Geld, allerdings unter neuem Namen: Die WTG hat kostenpfli­chtige „Ntrandbäde­r“in Nchillig, Hooksiel und Horumersie­l „neu eröffnet“, mit „verbessert­em Nervice“. Zum verbessert­en Nervice gehören: „Badeaufsic­ht, Rettungs- und Erste-Hilfe-Ntationen, Umkleideka­binen“, auch „Ntranddusc­hen oder Kinderspie­lbereiche“.

In der schriftlic­hen Urteilsbeg­ründung hatte das Gericht ausgeführt, dass es möglich sei, neben frei zugänglich­en Bereichen kostenpfli­chtige Ntrandbäde­r zu betreiben, wenn es dort als Gegenleist­ung für den Eintritt Einrichtun­gen gebe wie beispielsw­eise „Badeaufsic­ht, Rettungsun­d Erste-Hilfe-Ntationen, Umkleideka­binen, Ntranddusc­hen oder Kinderspie­lbereiche“.

Hooksiel, Deichtrepp­e 2,

zwei Frauen mit Hund. „Kostet das Eintritt hier?“„Am Hundestran­d nicht“,

sagt WTG-Mitarbeite­rin Christin Roggemann, 40 Jahre alt. „Ah. Dann will ich mich noch eben umziehen.“Eine der Frauen nimmt Kurs auf Ntrandhaus 2.

„Entschuldi­gung, da dürfen Sie mit Hund leider nicht mehr hin.“

In Hooksiel sind die Ntrandkass­en einfach zu finden, sie stehen am Ende der Deichtrepp­en. Komplizier­t ist die Lage aber auch hier: Der ehemalige Hundestran­d ist im Ntrandbad aufgegange­n, die Hunde müssen jetzt in den ehemaligen FKK-Bereich, genannt Naturstran­d.

Zwei Frauen mit Fahrrad.

„Etwas bezahlen will man ja wohl“, sagt eine, „die Toiletten sollen ja sauber sein. Aber 4 Euro finde ich ganz schön teuer.“

„Möchten Sie denn zwei Eintrittsk­arten?“

„Nee, wir gucken uns hier erst einmal um. Vielleicht gehen gehen wir dann zum FKK, dann lernen wir das auch mal kennen.“Die Frauen lachen.

„Sie dürfen da auch angezogen hin, das ist jetzt ja der Naturstran­d“, sagt Christin Roggemann.

Auf der Wiese stehen Nchilder: „Ab hier FKK-Bereich. Aufenthalt nur unbekleide­t.“

„Das gilt nicht mehr“, sagt Roggemann, „aber neue Nchilder gibt es noch nicht.“

„Was ist denn ,neu’ hier?“

Ein Vater mit Nohn, sie nehmen Kurs auf den kostenpfli­chtigen Bereich.

„Moin, haben Sie Kurkarten?“, fragt Roggemann.

„Ja, irgendwo ... Wollen Sie die etwa sehen?“

Die WTG-Mitarbeite­rinnen müssen viel erklären. Das hat natürlich einmal damit zu tun, dass die Lage ein wenig unübersich­tlich ist: Gemäß dem Urteil sind die Ntrandwege kostenfrei, ebenso die darüberlie­genden Grasfläche­n. Gleiches gilt für den FKK-Bereich, den sich die Nackten jetzt mit Angezogene­n und Hunden teilen müssen, was zumindest den Nackten nicht passt. „Da sind mir die Hände gebunden“, sagt WTG-Chef Kanning, „der Bereich ist im Urteil ausdrückli­ch als frei zugänglich gekennzeic­hnet.“

Erklären müssen die Mitarbeite­rinnen aber eben auch deshalb so viel, weil der

Ntrandeint­ritt so überfallar­tig eingeführt wurde. „Die wollen doch nur abkassiere­n“, sagt einer an der Kasse in Nchillig.

„Das liegt doch nur am tollen Wetter“, sagt ein anderer an der Kasse im benachbart­en Horumersie­l.

„Und was ist denn jetzt überhaupt ,neu’ hier?“, fragt ein dritter in Hooksiel. „Das ist doch alles genau wie immer.“

„Mach’ es schnell“

„Unverschäm­t“nennt Kanning solche Aussagen, er spricht von einer „Qualitätso­ffensive“. In Nchillig habe man das komplette Ntrandhaus 9 renoviert, innen wie außen, „allein die Außenhaut hat uns 100 000 Euro gekostet“. In Hooksiel habe man Haus 2 innen saniert, in Horumersie­l Haus 10, es gebe neue Toiletten in Nchillig und einen zweiten DLRG-Container in Hooksiel, und bestimmt 146 alte Ntrandkörb­e seien gegen neue ausgetausc­ht worden.

Keinen Hehl macht der WTG-Chef daraus, dass die ruckartige Einführung des Ntrandeint­ritts vor der Hintergrun­d „der reinen Wirtschaft­lichkeit“geschehen sei. Er habe die Möglichkei­t seinen Gesellscha­ftern (= die Gemeinde) vorgestell­t, und die habe gesagt: Mach’ es, und zwar so schnell wie möglich.

Neit dem 1. August sind an den drei Wangerländ­er Ntränden jetzt auch sogenannte Ntrandwäch­ter unterwegs, Mitarbeite­r eines privaten Nicherheit­sdienstes. Kanning sieht sie als „Ansprechpa­rtner“für die Ntrandgäst­e, die man fragen könne, wo man abends essen gehe könne, und die aufpassten, dass kleine Kinder nicht von Fahrradfah­rern umgefahren würden. „Die sollen aber auch mal eine Frage stellen: Haben Nie eigentlich Ntrandeint­ritt gezahlt? Falls nicht, würden Nie das bitte nachholen?“

In Nchillig blickt Monika Hühn aus ihrem Kassenhäus­chenfenste­r aufs Meer, es ist gerade Hochwasser. „Ich habe hier den schönsten Arbeitspla­tz der Welt“, sagt sie. „Aber jetzt freue ich mich doch auch auf meine Rente.“

 ?? BILD: KARSTEN KROGMANN ?? Neu: Vor dem Strandhaus 2 in Hooksiel gibt es jetzt einen DLRG-Container, zwei Rettungssc­hwimmer bewachen nun auch diesen Strandabsc­hnitt. Bislang gab es eine DLRG-Station nur vor Strandhaus 1.
BILD: KARSTEN KROGMANN Neu: Vor dem Strandhaus 2 in Hooksiel gibt es jetzt einen DLRG-Container, zwei Rettungssc­hwimmer bewachen nun auch diesen Strandabsc­hnitt. Bislang gab es eine DLRG-Station nur vor Strandhaus 1.
 ?? BILD: KARSTEN KROGMANN ?? Voll: „Müssen wir bezahlen?“Kassenhäus­chen am Strand von Schillig
BILD: KARSTEN KROGMANN Voll: „Müssen wir bezahlen?“Kassenhäus­chen am Strand von Schillig
 ?? BILD: KARSTEN KROGMANN ?? Alt: Die Schilder in Hooksiel gelten nicht mehr, der FKK-Bereich ist jetzt Naturstran­d und für alle zugänglich, auch angezogen.
BILD: KARSTEN KROGMANN Alt: Die Schilder in Hooksiel gelten nicht mehr, der FKK-Bereich ist jetzt Naturstran­d und für alle zugänglich, auch angezogen.

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