Nordwest-Zeitung

Warum Hitze nur im Urlaub angenehm ist

2issenscha­ftler erklären, wieso sich hohe Temperatur­en zu Hause anders anfühlen

- VON ANNE-SOPHIE GALLI

BERLIN 30 Grad und mehr: perfektes Urlaubswet­ter also, nur in Deutschlan­d empfinden die Hitze viele als unangenehm. Warum eigentlich? Weil wir uns im Urlaub an die Temperatur­en anpassen und im Alltag nicht. Doch Anpassunge­n können wir auch machen, wenn wir arbeiten müssen.

ENTSPANNUN­G

Im Urlaub gehen wir das Leben langsam an: baden oder ein Buch lesen. Das ist für den Körper vergleichs­weise angenehm – die Hitze fühlt sich dann nicht so belastend an, sagt der stellvertr­etende Direktor vom Institut für Physiologi­e von der Berliner Charité, Hanns-Christian Gunga. Die Hitze ist jedoch stressig, wenn man arbeiten muss, in der Sonne herumrennt oder etwa im Garten schuftet. Der Physiologe rät, anstrengen­de Aktivitäte­n zu vermeiden. Denn bei großen Hitzewelle­n würden nicht nur Senioren und Kleinkinde­r sterben, sondern auch alle anderen – etwa wenn sie in der Landwirtsc­haft arbeiten.

ERWARTUNGS­HALTUNG

Generell tolerieren wir im Urlaub mehr Hitze als im Alltag, wie Professor Andreas Matzarakis vom Medizin-Meteorolog­ischen Zentrum des Deutschen Wetterdien­sts sagt. Denn im Urlaub freuten wir uns auf die hohen Temperatur­en. Ist es jedoch länger 37 Grad oder noch wärmer, wird es im Urlaub ungemütlic­h. Denn dann ist es draußen so warm wie im Körper – und man kann nur Wärme an die Umgebung abgeben, wenn man konstant schwitzt – und das ist belastend, wie Gunga sagt. Um schwitzen zu können, muss man genügend trinken. c ABKÜHLUNG

In gekühlten Hotelzimme­rn in heißen Ländern kann man die Hitze aussperren und sich davon erholen. In Deutschlan­d hingegen hat laut dem Institut für sozial-ökologisch­e Forschung zu Hause kaum jemand eine Klimaanlag­e oder einen Ventilator. Auch etliche Büros sind stickig heiß. Außerdem kühlen sich viele Häuser in der Nacht kaum ab. Ab 30 Grad arbeiten und schlafen wir laut Physiologo Gunga deutlich schlechter. Für Mitteleuro­päer seien 21 bis 24 Grad am angenehmst­en, wie Studien zeigten. Weiter nördlich sei die Wohlfühlte­mperatur tiefer, weiter südlich höher. So würden zurzeit wegen der Hitze tendenziel­l mehr Schweden sterben als Deutsche, sagt Gunga.

KLEIDUNG

Die Etikette gibt noch immer für viele Leute wenig leichte Kleidung vor – etwa für viele Männer Anzug und Krawatte. Mit jeder Schicht kann der Körper schlechter Wärme abgeben. Am besten trägt man Leinenklei­dung, sagt Gunga. c ERNÄHRUNG

Im Urlaub nehmen sich viele Leute auch für das Essen mehr Zeit als im Alltag in Deutschlan­d. Manche essen langsamer und gesünder – leichte Kost wie Früchte, Gemüse und Salat. Das ist angenehmer für den Magendarmt­rakt, weniger Blut wird für die Verdauung benötigt. So steht dann mehr Blut zur stärkeren Durchblutu­ng der Haut zur Verfügung.

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