IG Metall warnt Enercon vor Kahlschlag
Auricher Anlagenbauer reduziert Verträge mit Zulieferern – 835 Stellen fallen weg
Wirtschaftsminister Bernd Althusmann kündigte Gespräche mit allen Beteiligten an. Die Grünen kritisieren die Bundesregierung.
AURICH/EMDEN/WESTERSTEDE Die IG Metall Küste hat den Auricher Windenergieanlagenhersteller Enercon vor einem „Kahlschlag“auf Kosten der Beschäftigten gewarnt. „Das Unternehmen darf jetzt nicht versuchen, Entlassungen von Hunderten Mitarbeitern und die Schließung von Standorten innerhalb kürzester Zeit durchzuziehen“, sagte Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste, am Donnerstag. Stattdessen sei ein koordiniertes Vorgehen für alle betroffenen Unternehmen unter Einbeziehung von Betriebsräten und Gewerkschaften nötig.
Enercon hatte am Mittwoch mitgeteilt, dass sich das Unternehmen stärker international ausrichten werde, da die Onshore-Windindustrie
am Heimatmarkt massiv unter Druck stehe. Als Folge reduziere das Unternehmen Verträge mit Zulieferern und rechnet bei diesen Unternehmen, die überwiegend im Weser-Ems-Gebiet angesiedelt sind, mit einem Abbau von 835 Stellen. Betroffen seien Zulieferer in Emden (190 Mitarbeiter), Magdeburg (130), Westerstede (150), Haren (235) und Aurich (130), sagte ein Unternehmenssprecher.
Während bei den meisten Zulieferern die Verträge „nur“reduziert würden, werde die WEC Site Services GmbH in
Westerstede laut Geschäftsführer Michael Honczek ihren Betrieb zum 30. November komplett einstellen. Den Mitarbeitern könnten keine anderen Arbeitsplätze angeboten werden, sagte er. Man sei aber bemüht, sozialverträgliche Lösungen zu finden. Vom Standort Westerstede aus koordinieren elf Mitarbeiter den Betonturmaufbau und den Einsatz der Monteure.
Westerstedes Bürgermeister Klaus Groß bedauerte die Entscheidung von Enercon. Für die Angestellten sei das „ein schwerer Schlag“.
Enercon verwies darauf, dass die Aufbauzahlen stark rückläufig seien und die Aufträge stark zurückgingen. Das Auricher Unternehmen werde sich daher vom vierten Quartal 2018 konsequent auf internationale Märkte ausrichten. „Aufgrund der angespannten Marktsituation in Deutschland ist eine Auslastung unserer Zulieferer im nötigen Umfang nicht mehr möglich“, sagte Geschäftsführer SimonHermann Wobben.
Enercon sieht Länder wie Mexiko, Vietnam und Südafrika als neue Zielmärkte. Geschäftsführer Hans-Dieter Kettwig verwies auf Marktprognosen, nach denen sich die Nachfrage nach erneuerbaren Energien in den kommenden 20 Jahren weltweit nahezu verdoppeln werde.
Auf Nachfrage dieser Zeitung kündigte Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) Gespräche mit allen Beteiligten an: „Wir werden uns die Situation an den einzelnen Standorten sehr genau ansehen, um dort, wo es möglich ist, unkompliziert und schnell zu helfen.“Der Minister kritisierte die Bundesregierung, die es versäumt habe, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, da der Einbruch zu erwarten gewesen sei.
Die Grünen im Bundestag sehen den Verlust von Hunderten Arbeitsplätzen als dramatisches Ergebnis einer falschen Energiepolitik der Bundesregierung. Die Union müsse ihren Widerstand gegen im Koalitionsvertrag versprochene Zusatzausschreibungen für Wind- und Solarenergie aufgeben, forderte die energiepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Julia Verlinden. KOMMENTAR, SEITE 4