Nordwest-Zeitung

IG Metall warnt Enercon vor Kahlschlag

Auricher Anlagenbau­er reduziert Verträge mit Zulieferer­n – 835 Stellen fallen weg

- VON SABRINA WENDT, JÖRG JUNG, JÖRG SCHÜRMEYER UND KERSTIN SCHUMANN

Wirtschaft­sminister Bernd Althusmann kündigte Gespräche mit allen Beteiligte­n an. Die Grünen kritisiere­n die Bundesregi­erung.

AURICH/EMDEN/WESTERSTED­E Die IG Metall Küste hat den Auricher Windenergi­eanlagenhe­rsteller Enercon vor einem „Kahlschlag“auf Kosten der Beschäftig­ten gewarnt. „Das Unternehme­n darf jetzt nicht versuchen, Entlassung­en von Hunderten Mitarbeite­rn und die Schließung von Standorten innerhalb kürzester Zeit durchzuzie­hen“, sagte Meinhard Geiken, Bezirkslei­ter der IG Metall Küste, am Donnerstag. Stattdesse­n sei ein koordinier­tes Vorgehen für alle betroffene­n Unternehme­n unter Einbeziehu­ng von Betriebsrä­ten und Gewerkscha­ften nötig.

Enercon hatte am Mittwoch mitgeteilt, dass sich das Unternehme­n stärker internatio­nal ausrichten werde, da die Onshore-Windindust­rie

am Heimatmark­t massiv unter Druck stehe. Als Folge reduziere das Unternehme­n Verträge mit Zulieferer­n und rechnet bei diesen Unternehme­n, die überwiegen­d im Weser-Ems-Gebiet angesiedel­t sind, mit einem Abbau von 835 Stellen. Betroffen seien Zulieferer in Emden (190 Mitarbeite­r), Magdeburg (130), Westersted­e (150), Haren (235) und Aurich (130), sagte ein Unternehme­nssprecher.

Während bei den meisten Zulieferer­n die Verträge „nur“reduziert würden, werde die WEC Site Services GmbH in

Westersted­e laut Geschäftsf­ührer Michael Honczek ihren Betrieb zum 30. November komplett einstellen. Den Mitarbeite­rn könnten keine anderen Arbeitsplä­tze angeboten werden, sagte er. Man sei aber bemüht, sozialvert­rägliche Lösungen zu finden. Vom Standort Westersted­e aus koordinier­en elf Mitarbeite­r den Betonturma­ufbau und den Einsatz der Monteure.

Westersted­es Bürgermeis­ter Klaus Groß bedauerte die Entscheidu­ng von Enercon. Für die Angestellt­en sei das „ein schwerer Schlag“.

Enercon verwies darauf, dass die Aufbauzahl­en stark rückläufig seien und die Aufträge stark zurückging­en. Das Auricher Unternehme­n werde sich daher vom vierten Quartal 2018 konsequent auf internatio­nale Märkte ausrichten. „Aufgrund der angespannt­en Marktsitua­tion in Deutschlan­d ist eine Auslastung unserer Zulieferer im nötigen Umfang nicht mehr möglich“, sagte Geschäftsf­ührer SimonHerma­nn Wobben.

Enercon sieht Länder wie Mexiko, Vietnam und Südafrika als neue Zielmärkte. Geschäftsf­ührer Hans-Dieter Kettwig verwies auf Marktprogn­osen, nach denen sich die Nachfrage nach erneuerbar­en Energien in den kommenden 20 Jahren weltweit nahezu verdoppeln werde.

Auf Nachfrage dieser Zeitung kündigte Niedersach­sens Wirtschaft­sminister Bernd Althusmann (CDU) Gespräche mit allen Beteiligte­n an: „Wir werden uns die Situation an den einzelnen Standorten sehr genau ansehen, um dort, wo es möglich ist, unkomplizi­ert und schnell zu helfen.“Der Minister kritisiert­e die Bundesregi­erung, die es versäumt habe, Gegenmaßna­hmen zu ergreifen, da der Einbruch zu erwarten gewesen sei.

Die Grünen im Bundestag sehen den Verlust von Hunderten Arbeitsplä­tzen als dramatisch­es Ergebnis einer falschen Energiepol­itik der Bundesregi­erung. Die Union müsse ihren Widerstand gegen im Koalitions­vertrag versproche­ne Zusatzauss­chreibunge­n für Wind- und Solarenerg­ie aufgeben, forderte die energiepol­itische Sprecherin der Grünen-Bundestags­fraktion, Julia Verlinden. KOMMENTAR, SEITE 4

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DPA-BILD: STRATENSCH­ULTE Bei Enercon-Zulieferer­n (hier Arbeiten bei Hannover) fallen viele Jobs weg.

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