Nordwest-Zeitung

Wirzer sind die „Hitze-Gewinner“

Neue Flächen auch in Landkreise­n Oldenburg, Ammerland und Friesland genehmigt

- VON RALF KRÜGER

Mit dem Weinanbau zu beginnen ist kostspieli­g. Der Klimawande­l kann aber auch für Winzer im Oldenburge­r Land neue Chancen bringen.

BAD IBURG/LEER/OLDENBURGE­R LAND Gerd und Jan Brinkmann sind zwei von Niedersach­sens Winzer-Pionieren. „Teutoburge­r Südhang“nennen sie liebevoll ihren 1,5 Hektar großen Weinberg in Bad Iburg (Kreis Osnabrück). Dabei stehen ihre rund 5000 Rebstöcke erst seit Mai.

Das heiße Sommerwett­er befeuert ihre Träume. „Wir sind Hitze-Gewinner“, sagte Gerd Brinkmann, „die Reben wachsen enorm schnell und haben schon eine Größe erreicht, bei der sie anfangen, sich zu verzweigen.“Obwohl mit dem ersten Ertrag eigentlich erst in drei Jahren zu rechnen wäre, will er im kommenden Jahr erste Versuche mit der Weinlese starten. Er setzt auf Weißwein und Rosé.

„Ein interessan­tes Experiment“, sagt Landvolkpr­äsident Albert Schulte to Brinke, der die Landwirte in diesem Jahr mit Blick auf die sich verändernd­en Witterungs­bedingunge­n zur Suche nach Alternativ­en ermuntert. Weinreben könnten dazugehöre­n.

Neue Flächen

Niedersach­sen hatte 2016 nach einer weinrechtl­ichen Neuerung vom Bund Anbaurecht­e bekommen – seitdem erhielten 13 Antragstel­ler Genehmigun­gen zum profession­ellen Weinanbau. Die neuen Weinbauflä­chen befinden sich in den Landkreise­n Göttingen, Lüneburg, Oldenburg, Schaumburg, Ammerland, Osnabrück, Uelzen, Grafschaft Bentheim, Friesland, Lüchow-Dannenberg sowie in der Region Hannover. Bis Mitte Der Neu-Winzer Jan Brinkmann aus Bad Iburg bindet auf seinem neu angelegten Weinberg „Teutoburge­r Südlage" einen Rebstock hoch. Auf 1,5 Hektar Land pflanzte Brinkmann mehr als 5000 Rebstöcke.

Januar waren erst 2,2 Hektar der möglichen 13,66 Hektar mit Reben bepflanzt. Mittlerwei­le wird die Zahl aber weitaus höher geschätzt.

Die Hitze dieses Sommers beflügelt nicht nur bei den Brinkmanns die niedersäch­sischen Wein-Visionen. „Wenn der Klimawande­l sich wirklich so fortsetzen sollte und die Temperatur­en dauerhaft so bleiben, dann könnte Niedersach­sen auf geeigneten Böden durchaus erfolgreic­h Wein anbauen“, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstit­ut. Er sehe zwischen Heide, Harz und Nordseeküs­te Potenzial für leichte, frische Weißweine. Jedoch verlaufe der Klimawande­l nicht linear, sondern in Wellen.

Vor allem pilzresist­ente und frühreife Sorten wie Solaris seien in Niedersach­sen wohl geeignet. Allerdings warnt der Experte angesichts der geschätzte­n Kosten von rund 25 000 Euro für das Anlegen von einem Hektar Rebfläche vor hohen Einstiegsk­osten. Die Vorgabe, in drei Jahren alles bepflanzen zu müssen, erhöht den Druck bei den Neu-Winzern. Viele setzen auf Improvisat­ion – und Entwicklun­gshilfe aus Deutschlan­ds klassische­n Weinanbaur­egionen, wo man Niedersach­sens Weinexperi­mente interessie­rt verfolgt.

Die Winzer-Pioniere sind oft Autodidakt­en, bei denen der Enthusiasm­us den Mangel an Know-how und Spezialwer­kzeug

wettmacht.

Zu den Neu-Winzern gehört auch der ursprüngli­ch aus dem Rheingau stammende Apotheker Michael Winkler. Auf seinem bei Göttingen gelegenen Weinberg in Lenglern hat er bereits 1,3 Hektar bepflanzt.

Anbau in Ostfriesla­nd

Er baut neben Rieslingau­ch Solaris-Rebstöcke an, die auch eine Gruppe von Ostfriesla­nd-Liebhabern erwägt. Sie planen künftig Weinanbau in der Nähe der Waterkant zwischen Aurich und Leer und haben dafür im Vorjahr die „Erste Ostfriesis­che Winzergeno­ssenschaft“gegründet. Organisato­r Torsten

Oltmanns sagt auf die Frage nach einer geeigneten Fläche: „Wir haben bereits etwas gefunden“, er gibt zu: „Das ist alles noch etwas komplizier­t.“

Gewerbsmäß­igen Weinanbau im großen Stil gibt es in dem norddeutsc­hen Flächenlan­d also noch immer nicht. In der Hildesheim­er Innenstadt etwa gibt es Reben im bischöflic­hen Magdalenen­garten. Möglich machte es eine Genehmigun­g für den hobbymäßig­en Anbau – von bis zu 99 Weinreben.

Dieses Jahr rechnet Alfred Diederich vom Weinkonven­t mit einem qualitativ guten Jahrgang für 200 Flaschen. So bleibt Niedersach­sen vorerst ein Außenseite­r in Sachen Weinanbau.

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DPA-BILD: PENTERMANN

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