Nordwest-Zeitung

Prozess bringt alle an ihre Grenzen

Urteil gegen Mutter und Lebensgefä­hrte fällt an diesem Dienstag

- VON JÜRGEN RUF

Es ist ein Pädophilen­und Prostituti­onsfall in nicht gekannter Dimension. Eine Mutter überlässt ihr eigenes Kind Männern gegen Geld zum Vergewalti­gen.

Von dem Kind, das jahrelang Schrecklic­hes erleben musste, gibt das Gericht wenig preis. Der Junge soll unbehellig­t bleiben. Er lebt bei einer Pflegefami­lie, persönlich erscheinen muss er in dem Prozess nicht. Auf der Anklageban­k im Landgerich­t Freiburg sitzen seine Mutter und deren Lebensgefä­hrte, der sich vom Jungen Vater nennen ließ. Sie haben zugegeben, den heute Zehnjährig­en jahrelang Männern gegen Geld zum Vergewalti­gen überlassen zu haben. Nach knapp zwei Monaten und zehn Verhandlun­gstagen spricht das Landgerich­t Freiburg an diesem Dienstag das Urteil.

„Es ist ein Verfahren, das die Beteiligte­n an Grenzen gebracht hat“, sagt der Vorsitzend­e Richter Stefan Bürgelin. Insgesamt acht Festnahmen und Anklagen gab es. Die Mutter (48) und ihr wegen schweren Kindesmiss­brauchs vorbestraf­ter Lebensgefä­hrte (39), beides Deutsche, sind die Hauptbesch­uldigten. Sie haben zugegeben, den damals in Staufen bei Freiburg lebenden und heute zehn Jahre alten Jungen mehr als zwei Jahre lang im Darknet – das ist ein anonymer Bereich des Internets – angeboten und Männern gegen Geld für Vergewalti­gungen überlassen zu haben. Zudem sollen sie das Kind sowie ein kleines Mädchen auch selbst mehrfach sexuell missbrauch­t haben. Die Taten wurden gefilmt, die Filme über das Darknet weitergele­itet.

Die Frau äußerte sich im Prozess lediglich nicht-öffentlich. Sie nimmt sonst ohne äußerliche Regung oder erkennbare Emotion an dem Prozess teil. Als „erschrecke­nd nüchtern und teilnahmsl­os“nannten Prozessbet­eiligte ihr Geständnis. Der psychiatri­sche Gutachter Hartmut Pleines attestiert der Frau, die in schwierige­n sozialen Verhältnis­sen lebte, eine geringe Emotionali­tät und wenig Mitgefühl: „Die Bereitscha­ft, ihren Sohn zu opfern, liegt in ihrem wenig entwickelt­en Gewissensu­nd Normengerü­st begründet.“

Ihr Lebensgefä­hrte, der sich als Haupttäter bezeichnet, nutzte den Prozess für umfassende Aussagen. Er äußerte sich öffentlich und sprach in den Strafverfa­hren gegen andere Beschuldig­te als Zeuge. „Es ist eine Lebensbeic­hte“, sagt der Chefermitt­ler der Freiburger Polizei. Im Gegensatz zur Mutter arbeitete er die Verbrechen auf.

Vor Gericht schilderte der Lebensgefä­hrte die Verbrechen geschäftsm­äßig, Gefühle ließ er nicht erkennen. Für sich selbst zieht der 39-Jährige Konsequenz­en. Er fordert Sicherungs­verwahrung für sich und will dauerhaft hinter Gitter. Zudem will er Schmerzens­geld zahlen. Ihm sei es um Befriedigu­ng seiner sexuellen Interessen gegangen, sagt der Mann, aber auch um Geld. Einer der Männer, ein Spanier, zahlte bis zu 15 000 Euro für Vergewalti­gungen.

Der Junge werde nach dem Missbrauch jahrelange Hilfe benötigen, sagte eine Polizistin, die ihn kennt. Derzeit sei der Junge damit beschäftig­t, „in seinem neuen Leben anzukommen“. Dabei werde er auch von der Polizei unterstütz­t. Der leibliche Vater, ein Drogenabhä­ngiger, starb kurz nach der Geburt des Kindes an einer Überdosis.

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