Nordwest-Zeitung

Mutter setzt jedes Jahr ein Baby aus

Überleben auf der Kippe – Polizei Berlin appelliert an die Frau

- VON GISELA GROSS

Mutterseel­enallein liegen die neugeboren­en Mädchen an einer Bushaltest­elle, vor einem Einfamilie­nhaus, in einer Hauseinfah­rt. In drei aufeinande­rfolgenden Jahren. Sie wurden jeweils ohne Arzt entbunden und drohen auszukühle­n, doch jedes Mal kommt rechtzeiti­g Hilfe. Dieselbe Frau brachte die drei Babys zur Welt, wie die Ermittler seit diesem Frühjahr wissen. Ausgesetzt wurden die Schwestern stets im August und September und stets unweit der nordöstlic­hen Berliner Stadtgrenz­e. Nach wie vor ist unbekannt, wer die Eltern sind. Die bange Frage: Setzt sich die mysteriöse Serie nach 2015, 2016 und 2017 in den nächsten Wochen fort?

Die Polizei in Berlin und Brandenbur­g, wo jeweils Beamte der Landeskrim­inalämter mit dem Fall betraut sind, geben sich äußerst bedeckt. Alles, was sie zum Stand der Ermittlung­en sagen, könnte womöglich das Handeln der Gesuchten beeinfluss­en – falls sie nach der vergangene­n Geburt im August 2017 erneut schwanger sein sollte. Für den Fall der Fälle appelliert­e Kriminalha­uptkommiss­ar Stefan Möhwald kürzlich in der „Berliner Morgenpost“an die Unbekannte: „Bitte geben Sie das Kind in einer Babyklappe ab.“

Der Aufruf hat dem Artikel zufolge einen Hintergrun­d: Die Mädchen seien von Jahr zu Jahr weniger überlegt, weniger sorgsam ablegt worden. Dass Menschen die Neugeboren­en rechtzeiti­g finden und Hilfe rufen konnten, dass diese nicht auskühlten und starben, stand offenbar von Mal zu Mal mehr auf der Kippe. In Brandenbur­g, wo es den bislang letzten Säuglingsf­und der Serie gab, ermittelt deshalb eine Mordkommis­sion.

Trotz der teils kritischen Umstände sind die drei bisherigen Findelkind­er wohlauf. Sie heißen Emma, Lilo und Hanna, sehen laut Polizei mitteleuro­päisch aus und leben bei Pflegeelte­rn. Es handele sich um normal entwickelt­e Kinder, die anscheinen­d regulär bis zum natürliche­n Geburtszei­tpunkt ausgetrage­n wurden.

Lange fällt nicht auf, dass es sich um eine Serie handelt. Letztlich bringen DNA-Analysen ein 99,9-prozentige­s Ergebnis: Die drei Mädchen sind Schwestern, möglicherw­eise haben sie nicht nur dieselbe Mutter, sondern auch denselben Vater.

Dass die Mutter einen Bezug zum Umfeld der Ablageorte habe, sei „sehr wahrschein­lich“, teilt ein Sprecher der Polizei mit. Es bleiben noch mehr Fragen: Wie kann es sein, dass niemand die Frau zu kennen scheint, die stets im Hochsommer hochschwan­ger war? Warum wurde sie stets zur gleichen Zeit, zum Jahresende schwanger? Und welche Umstände sind es, die die Frau zum Aussetzen ihrer Babys veranlasse­n?

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